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Ernährungsindustrie formuliert Forderungen an globale Rohstoffsicherheit
15.10.2008, Berlin
Weltweit leiden immer noch rund 923 Mio. Menschen unter Hunger. Die Weltbevölkerung wird nach Prognosen der Welternährungsorganisation FAO bis 2050 um ca. 30% auf ca. 9 Milliarden Menschen anwachsen. Änderungen der Konsumgewohnheiten in bevölkerungsstarken Schwellenländern führen zu einer höheren Nachfrage nach Milch- und Fleischprodukten. Das Angebot an Agrarrohstoffen wächst aber nur langsam. Die Nutzungskonkurrenz um landwirtschaftliche Flächen zwischen Rohstoffen für Lebensmittel und für die Erzeugung von Bioenergie/-kraftstoffen übt weiteren Preisdruck aus.
Die Ernährungsindustrie in Deutschland und weltweit ist gefordert, ein hochwertiges und ausreichendes Lebensmittelangebot in den Märkten der Welt sicherzustellen. Dies ist auch eine entscheidende Voraussetzung, um dem chronischen Hunger, insbesondere in Entwicklungs-ländern, aber auch in Schwellenländern wirksam zu begegnen. Nur so kann dem Ziel der Millenniumserklärung der Staats- und Regierungschefs der Welt aus dem Jahr 2000 entsprochen werden, die Armut und den Anteil der Hungernden bis 2015 weltweit zu halbieren.
Die Gewährleistung der Rohstoffverfügbarkeit für den Ernährungssektor in Deutschland stellt eine große und globale Herausforderung dar. Lösungsansätze müssen die internationalen Verknüpfungen aber auch Konflikte mit anderen Politikzielen, wie z.B. die Bekämpfung des Klimawandels oder die Sicherstellung der Energieversorgung beachten. Die BVE hat aktuell zu dieser Thematik ein Positionspapier veröffentlicht. Die deutsche Ernährungsindustrie spricht sich darin für folgende Maßnahmen aus:
- Die Entwicklungs- und Schwellenländer müssen zur Selbsthilfe befähigt werden. Sie müssen ihre landwirtschaftlichen Produktionspotentiale ausschöpfen bzw. besser erschließen. Dazu muss die Ausbildung von Fachkräften gefördert werden, um die agrarwirtschaftliche Kompetenz vor Ort zu stärken. Die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den Staaten sind zu verbessern, damit sich dauerhafte und selbsttragende Wirtschaftsstrukturen etablieren können.
- Die Industrieländer sind gefordert, ihre Agrarpolitiken in Einklang mit den globalen Entwicklungszielen und den Zielen der WTO-Runde zu bringen. Die Ernährungsindustrie unterstützt das Anliegen der Bundesregierung, in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU für die Fortsetzung des marktorientierten Kurses (Abbau der Interventionsmechanismen) einzutreten. Wettbewerbsverzerrende Handelshemmnisse in den Industrie- und Entwicklungsländern müssen beseitigt werden. So erhalten Entwicklungsländer einen Anreiz, die eigene Nahrungsmittelproduktion auszubauen, und der Welthandel kann seine marktausgleichende Funktion wahrnehmen. In vielen Entwicklungsländern werden Exportbeschränkungen praktiziert, die die Lösung der globalen Ernährungskrise behindern. Ein rascher und ausgewogener Abschluss der Doha-Runde ist anzustreben.
- Die Produktivität der Landwirtschaft muss generell gesteigert werden. Hierzu ist es erforderlich, die Ertragspotentiale der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zu verbessern. Voraussetzung hierfür ist eine verstärkte Förderung der Agrarforschung, insbesondere im Hinblick auf Pflanzenzucht und -schutz.
- Bei der Erschließung von Ertragspotentialen ist auch die Grüne Gentechnik zu berücksichtigen. Erforderlich ist eine sachbezogene Diskussion, die die Chancen und Mög-lichkeiten dieser Technologie in adäquater Weise berücksichtigt; erforderlich sind auch klare, zeitnahe und wissenschaftsbasierte Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers zu Anbau und Vermarktung von Produkten, die mit Hilfe der Grünen Gentechnik hergestellt worden sind.
- Der Einsatz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zur Herstellung von Bioenergie darf sich nicht zu Lasten der Lebensmittel auswirken. Die quantitative und qualitative Rohstoffverfügbarkeit für Lebensmittel zu angemessenen Preisen ist unabdingbar und muss gewährleistet sein. Die Lebensmittelproduktion muss das Kerngeschäft der Landwirtschaft bleiben. Zur Vermeidung von entsprechenden Nutzungskonkurrenzen zwischen der Lebensmittelkette und den Erzeugern von Bioenergie ist es erforderlich, die Entwicklung und den Ausbau von Biokraftstoffen der so genannten zweiten Gene-ration zu fördern und zu forcieren. Die Rohstoffgrundlage für Biokraftstoffe muss durch die Verwendung tierischer Abfälle erweitert werden; die dafür notwendige Anpassung der rechtlichen Voraussetzungen ist zeitnah vorzunehmen.
- Bei der verbindlichen Fixierung von Biokraftstoffquoten sollten in der EU einheitliche Regelungen getroffen werden. Durch vorauseilende, über noch nicht beschlossene EU-Vorgaben hinausgehende nationale Quotenregelungen werden keine entscheidenden klimarelevanten noch die Energiesicherheit betreffenden Vorteile realisiert.
- Dem Klimawandel und dadurch bedingten Ernteausfällen sowie Beeinträchtigungen der Biodiversität ist entgegenzuwirken. Dies bedarf zielführender internationaler Abstimmungen und Vereinbarungen, insbesondere eines Post-Kyoto-Abkommens.
Das Positionspapier steht
hier zum Download für Sie bereit.