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Verbraucher müssen sich auf steigende Lebensmittelpreise einstellen – Augenmaß und Flexibilität beim Ausbau der Bioenergie erforderlich
18.01.2008, Berlin
Die steigende globale Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen und die damit verbundenen Konsequenzen waren Gegenstand einer Vortragsveranstaltung der BVE am 18.01.2008 im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Damit knüpft die BVE an den von ihr im Oktober 2007 veranstalteten Rohstoffkongress an.
In seiner Eröffnungsansprache erklärte der BVE-Vorsitzende Jürgen Abraham, dass sich die Verbraucher in Deutschland auf weitere Preiserhöhungen für Lebensmittel einstellen müssen. Grund hierfür seien insbesondere die massiven Preissteigerungen für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse in den letzten Jahren. Beispielsweise haben sich die Preise für Brotgetreide und Futtergerste in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt; Speiseöle, die für viele Branchen der Ernährungsindustrie einen wichtigen Rohstoff darstellen, haben sich in den letzten Monaten um rund 30% verteuert. Eine weitere Kostenbelastung stellen die stetig steigenden Energiepreise dar.
Abraham betonte, dass diese steigenden Kosten von den Unternehmen nicht aufgefangen werden können, sondern an die Verbraucher weitergegeben werden müssen. Dies sei auch vertretbar, da die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt liegen und die deutschen Haushalte in der EU insgesamt am wenigsten für Nahrungsmittel aufwenden.
Darüber hinaus mahnte Abraham bei dem Ausbau der Bioenergie Augenmaß und Flexibilität an. Eine verbindliche Erhöhung der Biokraftstoffquote von 8 auf 17% im Zeitraum 2015 bis 2020, wie sie von der Bundesregierung im Entwurf zur Novellierung des Biokraftstoffquoten-Gesetzes vorgesehen ist, sei so nicht akzeptabel. Dies müsse von einer gesicherten Rohstoffverfügbarkeit und insbesondere einer Marktreife von Biokraftstoffen der so genannten zweiten Generation abhängig gemacht werden. Es sei deshalb erforderlich, im Wege einer Revisionsklausel sicherzustellen, dass die Erfüllbarkeit dieser Voraussetzungen regelmäßig geprüft wird und gegebenenfalls eine Quotenanpassung erfolgt.
Im Rahmen ihres Grußwortes unterstrich Ursula Heinen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, die Bedeutung der Ernährungs- und Landwirtschaft. Sie wies unter anderem darauf hin, dass Lebensmittel in Deutschland nach wie vor sehr preiswert seien und erforderliche Preisanpassungen keinen Anlass zur Dramatisierung böten. Desweiteren betonte sie das Erfordernis, die Anforderung an die Rohstoffverfügbarkeit mit den energie- und klimapolitischen Herausforderungen in Einklang zu bringen.
Mariann Fischer Boel, EU-Agrarkommissarin, erläuterte in ihrer Rede „Globaler Wettbewerb
um landwirtschaftliche Rohstoffe“ die relevanten Richtlinien der EU-Politik. Sie erklärte, dass die Getreidepreise ein deutlich höheres Niveau erreichen werden. Dies würde sich über die Futtermittelpreise auch auf die Fleischpreise auswirken. Allerdings sei bei allem zu berücksichtigen, dass sich die Preise von einem sehr geringen Niveau entwickeln. Die Verbraucher seien viele Jahre an sinkende Lebensmittelpreise gewöhnt gewesen.
In seinem Referat „Konkurrenz zwischen Nahrung und Bioenergie – was empfiehlt die Wissenschaft?“ erläuterte Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Direktor der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, insbesondere die Bedeutung und Auswirkung der Bioenergie im Kontext mit der Rohstoffsituation. Er prognostizierte, dass die Bioenergie mittelfristig weltweit ausgebaut werde. Das Niveau der Weltagrarpreise werde dadurch zunächst hoch bleiben. Ein zu weit gehender Ausbau der Bioenergie könnte, wegen der damit verbundenen Treibhausgasemissionen, klimaschädliche Auswirkungen haben. Durch eine Priorisierung des Wärmebereichs, der Reststoffverwertung sowie des Technologieexports ließen sich Effizienzpotentiale in der deutschen Bioenergiepolitik realisieren.
Von besonderer Bedeutung für die Sicherung der zukünftigen Rohstoffverfügbarkeit ist die Erschließung neuer bzw. Nutzung von brachliegenden Agrarflächen. Dr. Alex Lissitsa,
Präsident des „Ukrainischen Agri Business Clubs“ erläuterte in seiner Präsentation die Potentiale der Ukraine. Er prognostizierte, dass die Ukraine durch eine massive Effizienz- und Produktivitätssteigerung sowie zunehmende Industrialisierung innerhalb der nächsten 3 Jahre ein realer „Global Player“ im Ackerbau werde.
Dr. Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Welthungerhilfe, erläuterte in seinem Vortrag „Globaler Wettbewerb um nachwachsende Rohstoffe“ die Folgen in den Entwicklungsländern, die mit einem dortigen, verstärkten Ausbau nachwachsender Rohstoffe und deren Verarbeitung zu Bioenergie verbunden sind. Er geht von einer massiven Verteuerung der Grundnahrungsmittel in Höhe bis zu 90% aus. Dies würde zu einer prekären Situation für die arme städtische Bevölkerung und Kleinbauern führen. Es sei deshalb insbesondere die Erforschung alternativer Energiequellen, die Investitionen in neue Technologien sowie Effizienzmaßnahmen zu präferieren.
Ein Foliensatz zur Pressekonferenz steht
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