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True Cost Accounting
10.09.2020
Was wäre, wenn der Preis für Lebensmittel alle Kosten – sowohl Entstehungs- als auch Folgekosten – abbilden würde? BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet spricht darüber, inwieweit das sogenannte True Cost Accounting zielführend ist und welche Hürden es dabei zu überwinden gilt.
Ein Experiment
Anfang September stellten PENNY und die Universität Augsburg ein Experiment vor. Für acht ausgewählte konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte (Apfel, Banane, Kartoffel, Tomate, Mozzarella, Gouda, Milch und gemischtes Fleisch) berechneten Dr. Tobias Gaugler und sein Team die Folgekosten, die durch den Einsatz von Stickstoff, sich bildende Klimagase, benötige Energie und Landnutzungsänderungen entstehen, und erhöhten entsprechend den Verkaufspreis. Dieser wurde anschließend neben dem Preis, den die Kunden tatsächlich zu zahlen hatten, ausgewiesen. Die Auswertung der Wissenschaftler ergab, dass der Verkaufspreis für die acht konventionell erzeugten Lebensmittel pro Kilogramm durchschnittlich rund 62 Prozent höher liegen müsste. Bei den Alternativen aus ökologischem Landbau liegt das Plus bei rund 35 Prozent. BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet erklärte im Hinblick auf die daraus entstandene Diskussion: „
Es ist wichtig, dass wir die Debatte um wahre Koste führen. In allen Wirtschaftsbereichen und natürlich auch in der Lebensmittelproduktion insgesamt haben wir Umwelteinwirkungen, die Kosten verursachen. Wenn wir hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion kommen wollen, müssen wir diese Kosten erst einmal kennen. Diese Analyse ist für die Unternehmen wichtig, damit sie gezielte Maßnahmen ergreifen können, um Umwelteinwirkungen zu minimieren oder auszuräumen.“
Das Ziel: Minimierung der Umweltfolgen
Mithilfe der „wahren Preise“ für Lebensmittel soll eine Lenkungswirkung zugunsten von nachhaltigeren Produkten entstehen. Das Ziel kann jedoch nicht sein, die Preise der Produkte bloß um den jeweiligen Kostenfaktor zu erhöhen. „
Worum es uns im Endeffekt gehen muss, ist nicht einfach irgendwo einen Preis aufzuschlagen, sondern dass wir die Umwelteinwirkungen minimiert bekommen“, so Sabet weiter. „
Wir haben 170 000 Lebensmittelprodukte allein hier in Deutschland im Regal. Das ist eine Menge Arbeit, die noch vor uns steht. Die Minimierung der Umweltauswirkungen wird mehr kosten, eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion ist teurer. Dabei stellt sich die Frage, wie wir diese Preissteigerung in der Lieferkette abbilden können. Es hilft nichts, wenn der Verbraucher mehr bezahlt, es aber nicht dort ankommt, wo die Kosten entstehen – unter anderem bei den Erzeugern, die am Anfang der Kette stehen, und den Verarbeitern, die ihre Produktion nachhaltiger gestalten und mehr Geld für Rohstoffe ausgeben.“
Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit
Die Schwierigkeit, die sich zunächst allerdings stellt, ist die Einführung einer Methodik, die eine Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit ermöglicht. „
Wir haben in der Ernährungsindustrie Produkte, die insofern komplex sind, als dass sie nicht nur von einer Person oder einem Unternehmen hergestellt werden, sondern von vielen unterschiedlichen Akteuren. Jeder hat natürlich seine Kostenrechnung und jeder hat seine Umwelteinwirkung, die man im Endeffekt berücksichtigen muss. Dafür fehlt noch eine Methode, die alle Produkte erfasst. Für die Berechnung gibt es momentan viele unterschiedliche Ansätze, die teilweise sehr stark auseinandergehen.
Gleichzeitig ist es auch so, dass die Unternehmen nicht immer Einfluss auf den Verursacher der Umweltkosten haben. Es können nicht immer direkte Maßnahmen ergriffen werden, weil man beispielsweise auf die Kooperation mit seinen Partnern aus der Landwirtschaft oder den Partnern aus dem Handel angewiesen ist. Zu guter letzt gibt es die große Unbekannte am Ende der Kette. Was passiert mit dem Produkt, wenn es verkauft ist? Wie lange liegt es beim Verbraucher im Kühlschrank? Wie viel wird weggeschmissen? All das sind Effekte, die man berücksichtigen muss.“ Nichtsdestoweniger ist die Debatte ein wichtiger Baustein, um sowohl die Analysen und Maßnahmen innerhalb der Unternehmen voranzutreiben als auch die Verbraucher für ihre Kaufentscheidungen zu sensibilisieren.