Inhalt
EU-Biodiversitätsstrategie 2030
30.09.2020
Am 20. Mai 2020 wurde die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 „Bringing back nature in our lives“ der Europäischen Kommission veröffentlicht. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V. (BVE) begrüßt das Ziel der Kommission, einen ganzheitlichen Ansatz zum Erhalt der Biodiversität im Rahmen des „Green Deals“ bis 2030 zu verfolgen, damit die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) der UN erreicht werden können. Als viertgrößter deutscher Industriezweig und wichtiger Abnehmer von Agrarrohstoffen nimmt die deutsche Ernährungsindustrie eine zentrale Rolle zur Verwirklichung der Biodiversitätsziele ein.
Kohärenz und Übereinstimmung der politischen Zielsetzungen
„Making nature healthy again is key to our physical and mental wellbeing and is an ally in the fight against climate change and disease outbreaks. It is at the heart of our growth strategy, the European Green Deal, and is part of a European recovery that gives more back to the planet than it takes away." Mit diesen Worten unterstrich Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, eines ihrer Kernziele innerhalb der Europäischen Union: den Schutz der Umwelt. Unumgänglich ist dabei der Erhalt der Biodiversität. Diese sichert die Lebensgrundlage und beugt Krisen vor. Gleichzeitig ist es für die Ernährungsindustrie unerlässlich, dass ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit gewährleistet ist. Diese Zielsetzung hat oberste Priorität und muss mit dem Erreichen der Biodiversitätsziele in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus sollte die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie in Kohärenz und Übereinstimmung mit anderen wichtigen politischen Initiativen der EU erfolgen, damit die Anstrengungen gebündelt werden können. An dieser Stelle sind insbesondere die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie und das europäische Klimagesetz als Teil des Green Deals zu nennen. Je mehr Akteure und Bereiche, die einen Einfluss auf die Biodiversität haben, aufeinander abgestimmte Maßnahmen verfolgen, desto eher kann das Vorhaben gelingen. Aus diesem Grund muss auch bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der gemeinsamen Fischereipolitik (GFP), der EU-Forschungspolitik und der Handelspolitik Biodiversität bedacht werden.
Ein sanfter Übergangsprozess und die Sicherung wissenschaftlicher Erkenntnisse
Damit die Ernährungsindustrie ihren Beitrag zur Erreichung der Biodiversitätsziele leisten kann, braucht es einen pragmatischen und realistischen Rahmen aus regulatorischen und nicht-regulatorischen Maßnahmen, der neben der ökologischen auch die ökonomische Nachhaltigkeitsdimension berücksichtigt. Investitionsentscheidungen, die im Rahmen der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie erforderlich werden, benötigen in den Unternehmen entsprechende Mittel und Planungshorizonte. Politische und regulatorische Änderungen sollten ehrgeizig und vorausschauend sein und gleichzeitig allen Branchen und Wirtschaftsakteuren, insbesondere den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), die Möglichkeit zur Anpassung geben. Ebenso müssen die politischen Entscheidungen zur Implementierung der Biodiversitätsstrategie auf wissenschaftlich robusten Erkenntnissen basieren und mit einer umfassenden Folgenabschätzung für die Ernährungssicherheit und Rohstoffverfügbarkeit einhergehen. Dazu gehört auch, dass die Europäische Kommission die Zweckmäßigkeit aller Ziele im Zusammenhang mit Schutzgebieten/Landnutzung, Pflanzenschutzmitteln, biologischer Landwirtschaft und Düngemitteln sicherstellt. Die langfristige Widerstandsfähigkeit der Nahrungsmittelkette und die Fähigkeit, den Verbrauchern eine Versorgung mit qualitativ hochwertigen, sicheren und nachhaltigen Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen zu bieten, muss erhalten bleiben.
Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen
Die nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Ökosysteme und Ökosystemleistungen. Die deutsche Ernährungsindustrie unterstützt die Ziele der Biodiversitätsstrategie unter anderem durch die Etablierung von entwaldungsfreien Lieferketten, um auch außerhalb der europäischen Grenzen ihren Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt zu leisten. Aus diesem Grund engagiert sich die Branche in nationalen und internationalen Multistakeholder-Initiativen wie dem
Forum nachhaltiges Palmöl (FONAP), dem
Forum nachhaltiger Kakao oder der
Rainforest Alliance, um die Nutzung nachhaltig produzierter Rohstoffe weiter auszubauen. Die Unternehmen sind dabei auch auf die Unterstützung der Politik angewiesen zum Beispiel durch den Aufbau starker und langfristiger Partnerschaften zwischen Deutschland, der EU und den Erzeugerländern (auf Regierungs- und Unternehmensebene). Auch die lokalen Behörden in den Erzeugerländern brauchen Unterstützung der europäischen und nationalen Politik für die Erhaltung der Naturwälder und der biologischen Vielfalt. Eine solche Unterstützung kann sich auf die Integration der Landnutzungsplanung und die Entwicklung und Umsetzung von Waldüberwachungs- und Bewertungsprogrammen auf lokaler Ebene beziehen.
Darüber hinaus verpflichtet sich die Ernährungsindustrie im Herstellungsprozess von Lebensmitteln zu einem effizienten Einsatz von Ressourcen wie Wasser, Rohstoffen und Energie. Angesichts der spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserversorgung arbeiten Lebensmittel- und Getränkehersteller mit nachhaltigen Praktiken im Wassermanagement und investieren in wassersparende Technologien an ihren Produktionsstandorten und in den Lieferketten. Forschungsvorhaben zu innovativen und nachhaltigen Produktionsmethoden – auch im Hinblick auf die Nationale Bioökonomiestrategie – sollten in diesem Zusammenhang gefördert und in die globalen Bemühungen zum Schutz der Biodiversität einbezogen werden.
Ziele gemeinsam erreichen
Die Einbeziehung von Nachhaltigkeitszielen und daraus abgeleiteten Verpflichtungen der verschiedenen Akteure in alle Freihandelsabkommen der Europäischen Union wird von der deutschen Ernährungsindustrie unterstützt. Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt sind allerdings Herausforderungen, die über Ländergrenzen und Kontinente hinausgehen. Deshalb sind gemeinsame Anstrengungen auf der Basis von international vereinbarten Zielen und Maßnahmen notwendig. Die Ernährungsindustrie wird sich dafür einsetzen, dass die Handelspolitik dazu beiträgt, die nachhaltige Entwicklung der Industrie zu unterstützen und die Versorgungssicherheit zu erleichtern. Gleichzeitig müssen hierbei faire Wettbewerbsbedingungen und gleiche Ausgangsbedingungen für die EU-Produzenten geschaffen werden. Auch hier ist die politische Kohärenz zwischen der EU-Handelspolitik und anderen EU-Politiken, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors auswirken, von wesentlicher Bedeutung.