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ÖKO-TEST: Objektiv, neutral und sachkundig?
07.10.2020
Die Lebensmittelsicherheit und –qualität sind für die Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie zwei ihrer wichtigsten Anliegen. Qualitätskontrollen sichern dabei die extrem hohen Standards in Deutschland. Diese werden jedoch immer wieder von ÖKO-TEST mittels willkürlicher Sekundärstandards infrage gestellt – nur „sehr gute“ Ergebnisse erregen schließlich keine Aufmerksamkeit. Ein offener Brief an die Redaktion der ÖKO-TEST:
Liebe Redaktion der ÖKO-TEST,
wir lesen Ihre Lebensmitteltests regelmäßig mit großem Interesse, leider können wir die aktuelle Entwicklung nicht kommentarlos hinnehmen. Sie schreiben auf Ihrer Website, dass Sie Ihren Leserinnen und Lesern verpflichtet sind und sie „objektiv, neutral und sachkundig“ informieren wollen. Dieses Versprechen konnten Sie in letzter Zeit nicht erfüllen, weshalb wir Sie an Ihre Verantwortung erinnern wollen. In den Ausgaben September und Oktober 2020 wurden Mehl und Haferflocken getestet. An den getesteten Produkten gab es nichts zu beanstanden, trotzdem haben Sie Wege zur Abwertung gefunden.
- Beispiel T2- und HT2-Toxine: Im Test für Haferflocken schreiben Sie, „dass es einen Richtwert für T2- und HT2-Toxine gibt, den alle getesteten Produkte einhalten.“ Dennoch wurden einige Produkte, die diesen Richtwert deutlich unterschreiten, mit der Begründung eines „erhöhten“ T2- und HT2-Toxingehaltes abgewertet.
- Beispiel Nickel: In der Nährwerttabelle von Souci/Fachmann/Kraut (2016) werden Werte für Nickel in Haferflocken in einer Bandbreite von 1,32 bis 4,70 mg/kg angegeben. Alle im Test ermittelten Nickel-Gehalte liegen in diesem erwartbaren und vollkommen natürlichen Spektrum. In Ihren Bewertungen beziehen Sie sich auf die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die EFSA hat auf Bitten der Europäischen Kommission ihre Risikobewertung zu Nickel in Lebensmittel und Trinkwasser überarbeitet. Unter Berücksichtigung einer großen Anzahl von Daten und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse schlägt sie vor, den aktuellen TDI für Nickel von derzeit 2,8 auf 13 µg/kg Körpergewicht anzuheben. Diese neuen, öffentlich zugänglichen Erkenntnisse fließen in die Bewertung nicht ein.
- Beispiel Mineralölkohlenwasserstoffe: Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) kommen ubiquitär vor. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die EFSA halten die Verbindungen für „kein akutes Lebensmittelsicherheitsproblem“. Auch hier werden die Produkte pauschal abgewertet, obwohl der anerkannte MOSH-Orientierungswert von allen getesteten Produkten deutlich unterschritten wird. Mit den Beurteilungen „erhöht“ und „stark erhöht“ wird suggeriert, dass diese unerwünschten Stoffe in weitaus größeren Mengen nachgewiesen wurden, als dies der Fall ist.</element
Natürlich liegt es in der Natur der Tests, dass es Gewinner und Verlierer geben muss. Und das selbst dann, wenn alle getesteten Lebensmittel die hohen Sicherheitsstandards des deutschen und europäischen Lebensmittelrechts erfüllen – auch die mit den Öko-Test-Noten „ausreichend“ und „ungenügend“. Leider wendet Sie sich durch das Anwenden von willkürlichen Sekundärstandards von wissenschaftlichen und objektiven Primärstandards ab und tragen dazu bei, dass das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit deutscher Lebensmittel untergraben wird. Das BfR „ist der Auffassung, dass Primärstandards die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Lebensmitteln sicherstellen können“ und warnt vor dem „mögliche(n) negative(n) Einfluss“ von Sekundärstandards „auf das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Primärstandards und damit letztlich in staatliche Institutionen“. Durch die Anwendung von Sekundärstandards in Kombination mit „lenkender Sprache“ implizieren Sie so, dass sichere Lebensmittel, die die gesetzlichen Standards einhalten, nicht ausreichend sicher sind.
Mit einer Reichweite von rund 1,2 Millionen regelmäßigen Lesern erwächst Ihnen jedoch nicht nur gegenüber Verbrauchern eine große Verantwortung. Durch die Testergebnisse beeinflussen Sie das Marktgeschehen empfindlich, mit negativen Folgen für Unternehmen. So impliziert Ihre Arbeit neben der vermeintlichen Verbraucheraufklärung deutliche wirtschaftliche Folgen am Markt. Untersuchungsergebnisse können nachweislich zu Auslistungen im Handel und damit erheblichen Umsatzeinbußen und Reputationsverlusten der Hersteller führen. Wenn dies auf Basis fehlender Wissenschaftlichkeit und eigenmächtig gesetzter Grenzwerte erfolgt, ist das nicht zu akzeptieren. Darüber hinaus werden die Testergebnisse regelmäßig in den Medien aufgegriffen und häufig unvollständig und ohne wissenschaftlichen Zusammenhang dargestellt. Wenn in der Folge Verbraucher schlecht bewertete Produkte nicht mehr kaufen, sie gar für ungesund oder gesundheitsschädlich halten, ist dies nicht nur ein Problem für die Hersteller. Neben einer möglichen Auslistung des betroffenen Herstellers steigt der Umfang von Lebensmittelverlusten, wenn die hochwertigen und sicheren Lebensmittel durch irreführende Testergebnisse in der Tonne landen.
Liebe Redaktion der Öko-Test, es ist uns bewusst, dass sich Testergebnisse mit durchweg „sehr guten“ Noten nicht verkaufen lassen. Wenn jedoch Verunsicherung der Verbraucher Teil des Geschäftsmodells ist, dann lehnen wir das ab. Daher verurteilen wir es scharf, dass Sie aufgrund Ihres Geschäftsmodells die täglichen Zielkonflikte im Spannungsfeld zwischen Verbraucherwunsch, Produktionsbedingungen und Witterungseinflüssen oder Versorgungssicherheit und Lebensmittelverlusten einfach ausblenden. Wir wollen Sie deshalb dazu auffordern, mehr Objektivität und Wissenschaftlichkeit in Ihre Testkriterien einfließen zu lassen. Dies sind Sie Ihren Leserinnen und Lesern schuldig, die Sie informieren und nicht desinformieren sowie verunsichern wollen. Gerne stehen wir dazu für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung, immerhin verfügen wir über mehr als 70 Jahre Lebensmittelkompetenz!
Herzliche Grüße,
die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie