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Fast jeder deutsche Lebensmittelhersteller will die Preise erhöhen
08.09.2022
Laut einer aktuellen Erhebung des Ifo-Instituts wollen viele deutsche Unternehmen ihre Preise weiter anheben. Im August lag der Ifo-Index der Preiserwartungen mit 47,5 Punkten um 0,1 unter dem Juli-Wert. Besonders die Lebensmittelbranche steht unter großem Druck. So gut wie jeder Hersteller von Lebensmitteln sieht sich gezwungen, in nächster Zeit die hohen Erzeugerpreise weiterzugeben. Der Ifo-Index der Preiserwartungen erreichte hier den Wert von 96,8 Punkten, nach 99,4 im Juli. Dementsprechend bleibt die Komponente der Geschäftserwartungen beim ifo-Geschäftsklimaindex der Unternehmer der Ernährungsindustrie im August für die nächsten 6 Monate unverändert pessimistisch und liegt für die Monate Juli sowie August weiterhin unterhalb des bisherigen Tiefs, welches während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 erreicht worden war. Dies verdeutlicht die derzeitig hohe Unsicherheit mit fehlender Planungssicherheit.
"Ein Auslaufen der Inflationswelle ist leider nicht in Sicht", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Nach der Höhe der geplanten Preisänderung fragen die Forscher nicht.
Die Ernährungsindustrie an der Belastungsgrenze
Die deutsche Ernährungsindustrie erlebt aktuell den dramatischsten Anstieg ihrer Produktionskosten seit 70 Jahren. Es gibt kaum einen Bereich, in dem die Kosten nicht steigen. Die größten Treiber sind Rohstoffe, Energie, Verpackung und Logistik. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine mit seinen vielschichtigen Auswirkungen.
„Die bestehenden und weiter absehbaren Kostensteigerungen in der Lebensmittelproduktion können nicht von den Lebensmittelherstellern allein getragen werden. Eine Verteilung der Kostenlast entlang der Kette auch bis zum Verbraucher ist notwendig, um die Ertragslage der Produktionsbetriebe nicht zu gefährden und die Produktion rentabel aufrecht erhalten zu können“, fordert Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
Sie konkretisiert: „Den von den Energiepreis- und Produktionskostensteigerungen besonders betroffenen Unternehmen muss Unterstützung gewährt werden, auch um den Druck auf die Endverbraucherpreise abzumildern. Die BVE begrüßt daher, dass die EU mit dem temporary crisis framework einen Rahmen für Beihilfen der Mitgliedstaaten vorgegeben hat. Dieser muss jedoch über den Jahreswechsel hinaus verlängert und wirksamer ausgestaltet werden. Darüber hinaus muss ein Belastungsmoratorium umgesetzt werden, das den Mittelstand entlastet.“
Sie fordert zudem für Unternehmen, die besonders vom Wegbrechen des Geschäftes mit Russland oder der Ukraine betroffen sind, unbürokratische Hilfen sowie Überbrückungskredite bereitzustellen und bei der schnellen Erschließung alternativer Absatzmärkte sowie Standortalternativen zu Russland zu unterstützen. Mit Blick auf weitere mögliche Verknappungen und Verteuerungen bei wichtigen Agrar- und Energierohstoffen durch den Krieg in der Ukraine fordert die BVE, die Rohstoffverfügbarkeit für die Lebensmittelproduktion zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten und schwer ersetzbare Lieferketten mit der Ukraine und Russland zu sichern.
Explodierende Kosten bei Gas und Öl
Existenzbedrohend entwickeln sich für die Lebensmittelproduktion derzeit die drastisch gestiegenen Energiepreise. So verteuerte sich Rohöl um +100%, die EU Erdgaspreise um +534% in 2021. Der Trend verschärfte sich mit dem Ukrainekrieg in 2022 nochmals. Laut einer aktuellen Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Stand: Juni 2022) stiegen die Erzeugerpreise der Industrie für Erdgas in einem noch nie dagewesenen Ausmaß seit Erhebung der Daten. Der Index der Erzeugerpreise für Erdgas, bei Abgabe an die Industrie erhöhte sich zum Vorjahreszeitraum, je nach Betrachtungsmonat, um das knapp Drei- bis Vierfache. Auch die Strompreise haben sich hierzulande in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt.
Die BVE fordert daher eine Zusage der Politik, dass im Winter 2022/2023 und darüber hinaus genug Energie für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung steht und der Anwendungsbereich des Zuschussprogramms für energieintensive Branchen schnell und unbürokratisch erweitert wird.
Die Ernährungsindustrie ist mit einem Anteil am Industrieerdgasbedarf von 12% der zweitgrößte Erdgasabnehmer in der deutschen Industrie.
Eine aktuelle Stellungnahme zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und der aktuellen geopolitischen Lage auf die deutsche Ernährungsindustrie finden Sie
>> hier.