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Die Lehren der Corona-Pandemie
08.12.2020
Im Frühling 2020 war plötzlich alles anders. Die Corona-Pandemie griff um sich, erreichte immer mehr Länder, ließ Fallzahlen in die Höhe schießen und belastete die Gesundheitssysteme weltweit. Politik und Menschen reagierten schnell: Geschäfte, Schulen, Restaurants und Grenzen wurden geschlossen, man blieb zuhause. Ein neuer Alltag musste gefunden werden, da Selbstverständlichkeiten wie beispielsweise das Mittagessen in der Kantine oder Mensa ausfielen. Nun hat die zweite Welle Deutschland fest im Griff. Welche Auswirkungen hat diese besondere Situation auf unsere Beziehung zu Lebensmitteln und die Ernährungsbranche? Wir gehen der Frage nach.
Hamsterkäufe und kochen zuhause
Das Aufflammen der Pandemie und die drastischen Maßnahmen verunsicherten die Verbraucherinnen und Verbraucher derart, dass Hamsterkäufe zu leeren Regalen in den Supermärkten führten. Mehl – eines der besonders stark nachgefragten Lebensmittel – wurde zum Beispiel Mitte März rund doppelt so oft im Lebensmitteleinzelhandel gekauft wie sonst in diesem Zeitraum. Auch zu Beginn der zweiten Welle stieg der Absatz einzelner Produkte wieder an, allerdings nicht so stark wie im Frühjahr.
Die geschlossenen Kantinen, Mensen, Imbisse, Cafés und Restaurants sowie die vermehrte Arbeit im Homeoffice sorgten und sorgen dafür, dass die Menschen sich zwangsläufig zuhause um ihre Mahlzeiten kümmern mussten. Eine Unterbrechung dieses täglichen Arbeitsaufwands konnten nur Lieferdienste oder Gerichte zum Abholen bieten. So lag der Fokus stark auf schnell und einfach zuzubereitenden Lebensmitteln wie etwa Nudeln, (Tief-)Kühlkost oder Konserven – gleichzeitig häufig Produkte, die für die Vorratshaltung unerlässlich sind.
Darüber hinaus entdecken einige der Verbraucherinnen und Verbraucher das Kochen und Backen als Beschäftigung zur Stressminderung. Die Mahlzeiten strukturieren den Tag. In Familien oder Wohngemeinschaften ist das gemeinsame Essen zur zentralen Begegnungsstätte geworden und bietet damit Gelegenheit, Ängste und Sorgen zu besprechen.
Belastung der Branche
Obwohl Hamsterkäufe die Vermutung nahelegen, die Unternehmen der Ernährungsindustrie hätten von der Pandemie bisher profitiert, waren und sind sie in Wirklichkeit hohen Belastungen ausgesetzt und machten beziehungsweise machen – je nach Produktangebot – sogar deutliche Verluste. Durch die Schließung der Restaurants und Gaststätten sowie der Kantinen und Mensen ist nicht nur für das Gastgewerbe der Umsatz vollständig ausgeblieben oder eingebrochen, sondern teilweise auch für die Unternehmen der Ernährungsindustrie. Unternehmen, die auf diesen Markt spezialisiert sind, haben mitunter 80 Prozent des Geschäftes von heute auf morgen verloren. Aufgrund dessen ist die erneute Schließung des Außer-Haus-Markts auch eine Belastung für die Branche.
Eine enorme Schwierigkeit war außerdem die zeitweise Schließung der Grenzen und in Folge verzögerte Warenlieferungen. Die Verständigung der EU-Verkehrsminister und der Europäischen Kommission über eine enge Zusammenarbeit und die Einführung von Schnellspuren an den Grenzen für essenzielle Produkte sorgte hier für Entlastung. Schließlich ist die deutsche Ernährungsindustrie auf funktionierende regionale, nationale wie internationale Lieferketten angewiesen. Stimmen, die eine Renationalisierung der Ernährungswirtschaft fordern, lassen außer Acht, dass die Versorgung mit Lebensmitteln gerade durch umfassende Handelsbeziehungen vor Ernteausfällen geschützt und damit krisensicherer ist.
Eine weitere Entlastung war die offizielle Anerkennung als „systemrelevant“. Dank dieser konnten Beschäftigte der Ernährungsindustrie auf Notfallbetreuungen ihrer Kinder zugreifen. Denn: Lebensmittel stellen sich nicht von selbst her, sondern es bedarf entlang der gesamten Wertschöpfungskette Menschen, die die Lebensmittel anbauen, ernten, abholen, verarbeiten, verpacken, liefern und verkaufen. Der Schutz dieser Menschen hat oberste Priorität. In der Corona-Pandemie bedeutet dies erhöhte Ausgaben für Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Darüber hinaus steigen die Kosten für Krankheitsausfälle und IT-Lösungen, um zumindest für einen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit im Homeoffice ermöglichen zu können.
Lehren aus der Krise
Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen und war fast vollständig von der Corona-Pandemie geprägt. Genug Zeit also, um Lehrern aus der Krise ziehen zu können. Allem voran steht die Erkenntnis, dass die deutsche Ernährungsindustrie die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland trotz aller Herausforderungen sicherstellen konnte. Die bloße Vorstellung einer möglichen Knappheit führte jedoch dazu, die Selbstverständlichkeit des Nahrungsmittelangebots zu hinterfragen, der Versorgungssicherheit wieder mehr Beachtung zu schenken, Schwachstellen in den Lieferketten auszumachen und die Krisenfestigkeit der Branche weiter zu stärken. Während Verbraucher das Augenmerk auf ihre privaten Vorräte legten, zogen Unternehmen und Politik an einem Strang, um den Nachschub an Lebensmitteln zu gewährleisten. Für die Zukunft lässt dies hoffen, dass der Krisenfestigkeit der Branche bei politischen Entscheidungen stets Rechnung getragen wird.