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„Zuckerbrot und Peitsche“
06.08.2018
Kaum ein Tag vergeht ohne einen neuen Akt aus dem trumpschen Stück „America First“. Wir haben mit Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des
Instituts der deutschen Wirtschaft, über Auswirkungen eines möglichen Handelskriegs zwischen EU und USA auf die exportorientierte deutsche Ernährungsindustrie sowie über sinnvolle Strategien im Umgang mit dem amerikanischen Präsidenten gesprochen.
BVE: Welche Auswirkungen hätte ein Handelskrieg zwischen EU und USA für die deutsche Ernährungsindustrie?
Prof. Dr. Hüther: Die USA sind mit einem Volumen von 1,9 Mrd. Euro der wichtigste außereuropäische Absatzmarkt für die deutsche Ernährungsindustrie. Ein Handelskrieg könnte daher gravierende Folgen haben – auf beiden Seiten des Atlantiks.
BVE: Ist das die große Stunde des Triumpfs der TTIP-Gegner, die noch vor gut zwei Jahren auf den Straßen demonstriert haben?
Prof. Dr. Hüther: Die Demonstranten von damals waren wohl weder brennende Unterstützer Trumps noch Befürworter eines Handelskrieges. Dennoch sind die Gefahren, die nun von einem Handelsstreit ausgehen, durch den Abbruch der TTIP-Verhandlungen deutlich größer geworden, weil dadurch ein Rahmenwerk Orientierung und Verpflichtung gegen Willkür gewesen wäre. Wenn wir den Weg der Globalisierung nicht gemeinsam mit den Vereinigten Staaten gehen, werden andere das Spiel bestimmen.
BVE: Brauchen wir einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA?
Prof. Dr. Hüther: Der Erfolg der deutschen Wirtschaft hängt in hohem Maße vom Exportgeschäft ab, vor allem im Bereich der Warenexporte. Insofern sind die jüngsten Vorschläge eines „TTIP light“ ein Lichtblick – zumal Zölle ausschließlich auf den Warenhandel und nicht im Bereich der Dienstleistungen wirken. Ein solches Industriezollabkommens wäre daher insbesondere für Deutschland von Vorteil.
BVE: Aber was ist mit der Argumentation von Herrn Trump, die USA wäre im Handel mit der USA im Hintertreffen?
Prof. Dr. Hüther: Das stimmt so nicht. Die Leistungsbilanz zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union ist laut offiziellen US-Daten nahezu ausgeglichen. Der Handel von Gütern ist nur ein Teil der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Zu berücksichtigen sind auch der Dienstleistungshandel sowie Investitionseinkommen, und dort haben jeweils die Amerikaner einen Überschuss. Angesichts dessen erscheint es umso erstaunlicher, dass die USA die Verhandlungen eines umfassenderen Freihandelsabkommens nicht energisch vorantreiben.
BVE: Wie sollte die EU am besten reagieren, um Herrn Trump wieder ins Boot zu holen?
Prof. Dr. Hüther: Europa sollte auch künftig mit entschiedenen Gegenmaßnahmen auf US-Zölle reagieren, gleichzeitig gemeinsame Interessen betonen und die Tür für eine Einigung nicht zuschlagen. Dabei sollten die europäischen Verhandlungsführer stets Trumps Wählerschaft im Auge behalten. Nur wenn der US-Präsident ihr ein mögliches Verhandlungsergebnis als seinen persönlichen Erfolg verkaufen kann, wird es auch zustande kommen. Zuckerbrot und Peitsche lautet also die Devise.
BVE: Vielen Dank für das Interview!