Inhalt
„Die französischen Verbraucher legen großen Wert auf ihre kulinarischen Rituale“
26.06.2023
Passt deutsche Kulinarik zum französischen Flair? Auf dem diesjährigen Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft berichtete uns Anne-Sophie Hottiaux, Managing Director DACH & EMEA der global agierenden Kommunikationsagentur Hopscotch SOPEXA, über die Marktchancen deutscher Produkte in Frankreich. Im Interview gewährt sie uns ebenfalls einen Einblick.
BVE: Welchen Stellenwert besitzt „Made in Germany“ in Frankreich? Lässt sich damit gut werben?
Anne-Sophie Hottiaux: Im Allgemeinen steht "Made in Germany" für Qualität, Zuverlässigkeit und Robustheit. In der Welt der Lebensmittel und Getränke ist die Marke nicht wirklich etabliert. Deutsche kulinarische Spezialitäten leiden unter Vorurteilen (Mangel an Leichtigkeit und Finesse) und die Kenntnisse der französischen Verbraucher sind noch sehr begrenzt. Dennoch beginnt sich der Trend umzukehren, was der Attraktivität von Berlin und anderen Metropolen zu verdanken ist.
BVE: Inwieweit entspricht das Bild der Franzosen als Liebhaber von Lebensmitteln höchster Qualität der Realität?
Anne-Sophie Hottiaux: Mehr als 90 Prozent der französischen Verbraucherinnen und Verbraucher sind der Meinung, dass die Ernährung eine sehr wichtige Rolle in ihrem Leben spielt. Die Franzosen legen immer noch großen Wert auf das Ritual der drei Hauptmahlzeiten des Tages - Frühstück, Mittag- und Abendessen -, sei es zu Hause oder im Restaurant. Es gibt zwei signifikante Spitzen im Tagesablauf eines Erwachsenen, zwischen 12:00 und 13:30 Uhr für das Mittagessen und zwischen 19:00 und 20:30 Uhr für das Abendessen. Eine lustige Statistik ist, dass um 12.30 Uhr 57 Prozent der Franzosen mit Essen beschäftigt sind, während es bei den Belgiern 38 Prozent, bei den Deutschen 20 Prozent und bei den Briten nur 14 Prozent sind.
Es ist also eindeutig eine Wahrheit, auch wenn die Zeit, die man am Tisch verbringt, angesichts der Veränderungen im Lebensstil abnimmt.
Viele Menschen kochen und genießen das Kochen. Dieser Punkt wurde durch das Phänomen der Fernsehshows (z. B. Top Chef, Meilleur Pâtissier usw.), die von Millionen von Menschen verfolgt werden, noch weiter verstärkt.
BVE: Was bedeutet das für Ihre Arbeit in der Kommunikation?
Anne-Sophie Hottiaux: Wir stützen unsere Kommunikationsstrategien immer auf starke Marktbeobachtungen - sowohl bei Fachleuten als auch bei Verbrauchern. Nur so können wir relevante und wirkungsvolle Kampagnen entwickeln, die eine dauerhafte Beziehung mit und zwischen den Stakeholdern aufbauen.
Um dies zu erreichen, stützen wir uns auf die Kraft der kollektiven Intelligenz über unser Agenturnetzwerk, auf unser Netzwerk von Fachleuten sowie auf zahlreiche Marktforschungsinstrumente. Und natürlich tauschen wir uns intensiv mit unseren Kunden aus, um ihren Herausforderungen bestmöglich gerecht zu werden!
BVE: Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich?
Anne-Sophie Hottiaux: Das ist eine gute Frage, die mehrere Seiten füllen würde! Im Großen und Ganzen und auf Makroebene liegt der Hauptunterschied in der starken Zentralisierung in Frankreich. Diese zentralisierte Struktur findet sich auf allen Ebenen wieder: in der Politik, der Wirtschaft, etc.
Wenn wir uns auf die Welt der Lebensmittel konzentrieren, ist die Food & Drinks-Kultur ganz anders. Die französischen Verbraucher legen großen Wert auf ihre kulinarischen Rituale, auf die Qualität der Produkte und auf ihre Herkunft. Es gibt ein sehr gutes Wissen über das Nahrungsmittelerbe, die Regionen ... und eine echte Lust, diese bei einer Mahlzeit zu teilen. Der Anteil des Budgets, der für Lebensmittel ausgegeben wird, war in Frankreich schon immer höher als in Deutschland.
BVE: Was sind die größten Faux-Pas in der Kommunikation, die sie bei der Vermarktung von deutschen Produkten in Frankreich beobachten?
Anne-Sophie Hottiaux: Der größte Fehler wäre es, die Besonderheiten des französischen Marktes sowohl in Bezug auf den Konsum, den Vertrieb als auch die Kommunikation nicht zu berücksichtigen. Es ist unerlässlich, die B2B- und B2C-Gemeinschaften, die man ansprechen und an sich binden möchte, zu kennen und zu verstehen. Zu glauben, dass wir das gleiche Modell von einem Markt zum anderen replizieren können - unabhängig von der geografischen und/oder kulturellen Nähe - wäre ein großes Hindernis.
BVE: Vielen Dank für das Interview!
>> Hier finden Sie Fotos von der Veranstaltung und zahlreiche Vortragsfolien der Experten.
Der Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft wird gefördert durch die Landwirtschaftliche Rentenbank.