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"There are no Don’ts in Vietnam, only Dos“
16.05.2022
Seit 2020 unterhält Vietnam ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union. Davon profitiert besonders der Handel mit Lebensmitteln. Wir haben mit Björn Koslowski, Deputy Chief Representative bei der AHK Vietnam, über die Chancen und Herausforderungen für deutsche Lebensmittelhersteller gesprochen.
BVE: Welchen Stellenwert besitzt „Made in Germany“ in Vietnam?
Björn Koslowski:
Wie in vielen asiatischen Ländern hat dieses Label auch hier einen sehr hohen Stellenwert. In Deutschland hergestellte Produkte werden mit Zuverlässigkeit, Qualität und Status verbunden. Die vietnamesischen Konsumenten sind daher dazu bereit, hohe Preise für Ware „Made in Germany“ zu bezahlen. Entsprechend hohe Margen können hierzulande erzielt werden.
BVE: Welche Besonderheiten hat der vietnamesische Konsument?
Björn Koslowski:
Vietnams Wirtschaft expandiert jährlich um 6 bis 7%. Hiervon profitieren auch die Verbraucher, deren Einkommen mitwachsen. Folge ist, dass sich eine immer breitere Mittelschicht bildet. Diese Konsumenten legen Wert auf höchste Produktqualität. Über den Konsum zeigen sie auch ihren Status. Dies spricht für „Made in Germany“ und die damit verbundenen Attribute. Allerdings sollten Exporteure beachten, dass sich die Geschmäcker der Vietnamesen durchaus von Europa unterscheiden. Es sollte also in Erwägung gezogen werden, Produktdarbietung und -zusammensetzung beim Markteinstieg entsprechend der Nachfrage anzupassen.
BVE: Welches Potenzial hat der vietnamesische Markt für die Ernährungsindustrie?
Björn Koslowski:
Auch wenn sich eine Mittelschicht bildet, ist das Durchschnittseinkommen der meisten Vietnamesen mit 250 Euro noch relativ gering. Nichtsdestoweniger ist das Land vermutlich einer der vielversprechendsten Lebensmittelmärkte der Welt. Die Wachstumsraten der großen Einzelhändler sind atemberaubend. So möchte beispielsweise der Marktführer „Winmart“ die Anzahl seiner Outlets von aktuell etwa 1.700 auf 30.000 im Jahr 2025 vervielfachen. Neueinsteiger Novaland hat im März seinen ersten Lebensmittelmarkt eröffnet und möchte es noch in diesem Jahr zu 300 Läden schaffen. Darüber hinaus boomt nach Corona auch der HoReCa. Die Einreise für Touristen ist seit März möglich. Auch die Locals gehen wieder gerne essen und trinken.
Eine Besonderheit ist ferner, dass Vietnam seit 2020 ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union unterhält. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wird dabei ein Großteil der Zölle abgeschafft. Hiervon profitieren insbesondere auch Lebensmittel. Beispielsweise hatte Wein vor Inkrafttreten des Abkommens einen Zollsatz von 45,45%, der nun bis 2030 auf 0% sinkt.
BVE: Für welche Teilbranchen und Produkte ist er besonders spannend?
Björn Koslowski:
Bei verarbeiteten Lebensmitteln muss bei jedem Produkt geprüft werden, ob es dem Geschmack der vietnamesischen Verbraucher entspricht. Dies kann in Abstimmung mit (potenziellen) Vertriebspartnern untersucht werden. Im vietnamesischen Einzelhandel sind unter anderem deutsches Bier, Süßwaren, Joghurt und Pudding zu finden. Die großen Brands aus Deutschland haben in den vergangenen Jahren vielfach erfolgreiche Markteinstiege hingelegt. Weiterhin erfreuen sich Nahrungsergänzungsmittel und Babynahrung, gepaart mit der richtigen Vermarktungsstrategie, großer Beliebtheit. Grundsätzlich herrscht aber auch starke Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten, die in Vietnam zu lokalen Erzeugnissen verarbeitet werden. So wird aus Mozzarella beispielsweise ein frittierter „Cheese Stick“.
BVE: Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Unternehmen im vietnamesischen Markt konfrontiert?
Björn Koslowski:
Für das Listing bei den großen Einzelhandelsketten benötigen Exporteure neben einem passenden Produkt und dem richtigen Marketingansatz vor allem exzellente Netzwerke zu Entscheidern. Für Ausländer ist es sehr schwierig, diese Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Fast jedes deutsche Unternehmen wird daher auf die Kooperation mit einem Importeur angewiesen sein. Diese Partner sind der Dreh- und Angelpunkt des Geschäftes mit internationalen Lebensmitteln in Vietnam.
BVE: Welche Unterstützung bieten Sie an?
Björn Koslowski:
Beim Vertriebsaufbau können deutsche Unternehmen die Leistungen der bei uns angesiedelten Kompetenzstelle Vietnam für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft in Anspruch nehmen. Hierbei handelt es sich um ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördertes Projekt. Neben einem umfangreichen Informationsangebot können unsere Kunden auch eine individuelle Förderung vom BMEL für Dienstleistungen wie zum Beispiel Geschäftspartnervermittlungen und Marktstudien in Anspruch nehmen. Weitere Informationen unter
www.agri-food-vietnam.com.
Weiterhin unterstützen wir das Land Rheinland-Pfalz unter anderem beim Export von Wein nach Vietnam. Hier konnten wir in der Vergangenheit eine Menge Knowhow aufbauen, das wir gerne mit Unternehmen aus diesem Bundesland teilen.
Selbstredend ist Vietnam aber ebenfalls ein bedeutender Sourcing-Markt für deutsche Lebensmittelunternehmen. Wir unterstützen daher auch Einkäufer beim Aufbau von Kontakten zu Lieferanten.
BVE: Welchen Tipp haben Sie für Einsteiger in den vietnamesischen Markt?
Björn Koslowski:
Ein Bekannter hat mir mal gesagt „There are no Don’ts in Vietnam, only Dos“. Dies gibt die aktuell sehr dynamische Stimmung in diesem Land deutlich wieder. Während viele Märkte in den Industrieländern maturieren, herrscht in Vietnam ein unglaublicher „Nachholbedarf“. Es geht einfach eine ganze Menge. Jetzt ist die richtige Zeit, hierzulande Position zu beziehen, um langfristig vom riesigen Potenzial dieses fantastischen Landes zu profitieren. Ich kann jedem Exporteur nur empfehlen, sich mit Vietnam zu beschäftigen. Wir stehen jederzeit gerne für ein Gespräch zur Verfügung!
BVE: Vielen Dank für das Interview!
Björn Koslowsk spricht auf dem Außenwirtschaftsseminar 2022 über die Chancen und Herausforderungen für deutsche Lebensmittelhersteller im Exportmarkt Vietnam.