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CO2-Mangel belastet die Ernährungsindustrie
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Die hohen Energiepreise haben einen akuten CO2-Mangel ausgelöst. Betroffen sind unter anderem die Brauereien, Mineralquellen, Schlachthöfe und Hersteller von vielen gekühlten Verarbeitungsprodukten. Bei vielen Herstellern gehen die Vorräte zur Neige, teilweise stehen Produktionen still, es drohen Preiserhöhungen und Kurzarbeit.
Kohlenstoffdioxid erfüllt in der Lebensmittelindustrie viele Funktionen. Es wird unter anderem benötigt, um Getränke abzufüllen, Lebensmittel zu verpacken, Schweine und Geflügel vor dem Schlachten zu betäuben und zur Prozesskühlung. Auch im Gemüseanbau wird CO2 verwendet, um die Luft in Gewächshäusern anzureichern, damit die Pflanzen schneller wachsen.
„Die Situation ist besorgniserregend. Viele Unternehmen bekommen nur einen Teil der bestellten Menge oder gar nichts und haben keine Planungssicherheit. Aktuell sind nur noch 30 bis 40 Prozent der üblichen CO2-Liefermengen verfügbar. In vielen Verarbeitungsprozessen kann CO2 nicht ersetzt oder in den benötigten Mengen alternativ beschafft werden", sagt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.
Die BVE fordert, dass die Politik kurzfristige Maßnahmen ergreift, um eine bevorzugte Belieferung der kritischen Infrastruktur der Ernährungsindustrie mit CO2 für die Lebensmittel- und Getränkeproduktion sicherzustellen. "Um ein Abbrechen der Lieferketten und Produktionsausfälle zu vermeiden, muss auch eine staatlich subventionierte Wiederaufnahme der Düngemittelproduktion in Europa in Betracht gezogen werden. Die Ursache des CO2-Engpasses, die explodierenden Energiepreise, und damit die massiven Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion sind zwingend abzumildern. Die Unterstützungsmaßnahmen der Politik für die schwer von der Energiekrise getroffenen Unternehmen müssen daher auch zwingend diese in den Lieferketten eingebetteten Energiepreisexplosionen und Engpässe berücksichtigen", so Sabet.
Die Ursachen für den CO2-Mangel
Ein Großteil des CO2 auf dem Markt entsteht als Nebenprodukt der Düngemittel-Produktion. Diese wird jeden Sommer heruntergefahren, daher ist das Gas in der warmen Jahreszeit häufig knapp. Nun haben die Energiepreise die Lage zugespitzt. Der Großteil der europäischen Düngemittelhersteller hat den Betrieb gestoppt oder stark gedrosselt. Die Folge: Mit Verweis auf höhere Gewalt liefern Anbieter nicht die vereinbarten Mengen an CO2 zum vereinbarten Zeitpunkt. Alternative Lieferanten sind kaum zu bekommen. Da kein Ende bei den Energiepreissteigerungen in Sicht zu scheint, sind die Aussichten auf eine baldige Wiederaufnahme der Düngemittelproduktion gering.
Kohlensäure für die Getränkeherstellung
Die Getränkeindustrie nutzt das CO2, um damit Getränke wie Sprudel und Limonaden anzureichern und abzufüllen. „CO2 für Kohlensäure ist derzeit so knapp wie noch nie“, sagt Jürgen Reichle, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen.
Auch die Brauereien brauchen Kohlenstoffdioxid, um das Bier schaumfrei in die Flaschen zu füllen. Mit reiner Luft ist dieser Vorgang auch möglich, geht jedoch mit sehr viel kürzerer Haltbarkeit einher, da das Bier oxidieren würde. Große Brauereien haben die Möglichkeit, CO2-Engpässe phasenweise auszugleichen. Sogenannte Rückgewinnungsanlagen bereiten das CO2, das beim Gären entsteht, neu auf. Anschließend kann es beim Abfüllen wiedereingesetzt werden. Dieser Prozess ist jedoch energieintensiv, widerspricht dem derzeitigen Einsparbedarf und birgt zudem erhebliche Kosten für teure Anlagen.
In einer gemeinsamen Erklärung fordern auch die Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen (VDM), des Deutschen Brauer-Bundes (DBB), des Verbands Private Brauereien Deutschland, des Verbands der deutschen Fruchtsaftindustrie (VdF) und des Bundesverbands des Deutschen Getränkefachgroßhandels die Politik auf, dringen kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen.
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CO2 in der Milch- und Fleischindustrie
Ohne das Industriegas stauen sich in den Schlachtbetrieben Schweine und Geflügel. Denn das CO2 wird genutzt, um die Tiere zu betäuben, bevor sie getötet werden. Ist das nicht möglich, kann es zu tierschutzwidrigen Zuständen in den Ställen kommen, wenn die Schweine etwa zu groß werden und es zu Platzproblemen kommt. Darüber hinaus drängen die nächsten Jungtiere in die Ställe, die dann aber nicht frei sind. Alternativen gibt es nicht, wie der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) mitteilt. „Eine Umstellung auf manuelle Elektrobetäubung ist aufgrund der baulichen und technischen Gegebenheiten nicht möglich“, sagt Steffen Reiter, Sprecher der Initiative Fokus Fleisch.
Er fordert zudem mit Blick auf das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz (Art. 20a GG) ein schnelles Eingreifen der Bundesregierung, um die Versorgung der Schlachtbetriebe sicherzustellen. „Beispielsweise könnte dies durch eine gezielte Gaspreisreduktion für wesentliche Düngemittelwerke erfolgen. Damit könnte zugleich dem drohenden Mangel an AdBlue vorgebeugt werden, das für sämtliche Lebensmitteltransporte benötigt wird“, so Reiter.
Auch beim Verpacken von Wurst, Fleisch und Käse wird CO2 benötigt. Das Gas wird als Schutzgas-Gemisch in die Verpackungen gefüllt und verdrängt so den Sauerstoff. Auf diesem Wege werden die Produkte länger haltbar gemacht und das Oxidieren wird verhindert.