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Gastbeitrag
13.09.2017
Dr. Bettina Rudloff, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Nachteilige Hühnchenexporte nach Westafrika? Was EU und Westafrika tun können
Für die Eiweißversorgung der stetig wachsenden Bevölkerung Westafrikas reicht die heimische Geflügelfleischproduktion oft nicht aus, sodass Importe von günstigem Hühnerfleisch helfen können. Allerdings besteht dann das Risiko, dass diese die wenig wettbewerbsfähige lokale Produktion verdrängen. Einer Erhöhung eigener Produktion stehen hohe heimische Produktionskosten entgegen, die in hohen Energiepreisen ihre Ursache haben und so zum Beispiel die Einhaltung von Kühlketten verteuern. Auch Futter ist teuer und die gesamte Verarbeitungsstruktur schwach.
Vielfältige Schutzmaßnahmen bei Handel und Subventionen seitens afrikanischer Staaten möglich
Entgegen oft vorgebrachter Kritik können Entwicklungsländer ihre Märkte durchaus durch Zölle schützen: Schutzklauseln können gerade bei Bedrohung lokaler Erzeugung durch steigende Importe genutzt werden, auch ist ein flexibler Zollschutz für entstehende, noch schwache Industrien möglich, als Antwort auf handelsverzerrende Subventionen anderer Staaten sind Ausgleichszölle erlaubt und schließlich ist speziell bei Ernährungsdefiziten ohnehin generell Zollschutz gestattet. Ob dieser Schutz faktisch ausreicht, um Importe aus dem Land zu halten, wird sich aber erst in der noch anstehenden Umsetzung der neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) mit der EU zeigen müssen.
Es stellt sich aber die Gretchenfrage, ob Zollschutz überhaupt das Mittel der Wahl sein sollte: Neben Zöllen können Entwicklungsländer auch Subventionen nutzen, um ihre Agrarproduktion systematischer zu stärken, was wegen Budgetgrenzen oder wegen anderer politischer Prioritäten aber nur sehr wenige Staaten (etwa Malawi, Äthiopien oder der Senegal im Rahmen der Maputo-Erklärung) nutzen. Ghana etwa unterstützt seine Geflügelproduktion bereits seit den 1960er Jahren mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie Seuchenbekämpfung oder der Gründung von Vermarktungsinstitutionen. Das „Ghana Broiler Rehabilitation Project (GHABROP)“ aus 2014 verband genau Zollschutz mit Infrastrukturmaßnahmen. Wegen fehlender politischer Unterstützung und Begleitung aber trat es faktisch nie in Kraft.
Ein Bündel an Maßnahmen jenseits der puren Handelspolitik ist nötig und möglich
Nur afrikanische Länder selber können formulieren, in welchem Maße die Eigenproduktion durch Zölle geschützt werden soll. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Verbraucher mit geringem Einkommen belasten. Ohnehin müssen alle Interessen berücksichtigt werden – auch die von Kleinproduzenten im Hinterland, die oft schwächer organisiert sind als andere Unternehmer, etwa in den Hafenstädten. Zudem sind eben
umfassende Maßnahmen zur Kostensenkung in der Produktion und eine Verbesserung der Infrastruktur erforderlich.
Die EU kann diese Maßnahmen entwicklungspolitisch über konkrete Projekte unter Einbindung der Wirtschaft und Interessenvertreter vor Ort unterstützen. Sie sollte über handels- und subventionspolitische Möglichkeiten beraten. Genereller ansetzend sollte sie alle externen Kosten abbauen, die ihre landwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auch jenseits von natürlichen Effizienzvorteilen künstlich erhöhen. Hierzu können Maßnahmen zur Klimagas- und Nitratreduktion zählen, die durchaus die Gesamtwohlfahrt erhöhen können.
Das Vorliegen von externen Effekten müsste vor einer Maßnahme eindeutig identifiziert, eine geeignete Maßnahme gefunden und gegebenenfalls Ausgleich für Nachteile für europäische Erzeuger und betroffene Verbraucher geleistet werden. Aber eine resultierende Geflügelverteuerung kann in Folge den europäischen Verbrauch einschränken oder aber den ganzer, nun teurer Hühnchen erhöhen – damit gelangen weniger an günstigen Teilstücken nach Afrika. Eine solche Exportverringerung allerdings wirkt ohnehin nur dann auf die Importsituation, wenn es konzertiert über alle Geflügel exportierende Länder hinweg erfolgt. Im Zentrum sollten daher ohnehin eigene Maßnahmen der westafrikanischen
Länder stehen.