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„Wenn sich Unternehmen zurückziehen, haben wir nichts gewonnen“
16.12.2019
Der Bundesregierung liegen die Ergebnisse aus der ersten Phase des NAP-Monitorings vor. Jetzt macht sie Druck. Bundesarbeitsminister Heil kündigt in Zusammenarbeit mit Entwicklungsminister Müller die Erstellung von Eckpunkten für ein Lieferkettengesetz an. Wir haben dazu mit der BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet gesprochen.
BVE: Frau Sabet, wir beurteilen Sie die Pläne der beiden Minister?
S. Sabet: Die Forderungen nach einem deutschen Lieferkettengesetz halte ich angesichts der laufenden NAP-Umsetzung nicht nur für verfrüht, sondern auch für grundsätzlich falsch. Die Ernährungsindustrie hat sich den Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Wirtschaft und Menschenrechten verpflichtet. Diese lehnen gesetzliche Sorgfaltspflichten einzelner Staaten bewusst ab, da sie zu einer Haftung der Unternehmen für ihre Lieferketten und damit zu einer Risikoverlagerung auf Unternehmen führen können. Die Folge eines deutschen Lieferkettengesetzes wäre sehr wahrscheinlich nicht die Verbesserung der Menschenrechtslage in Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern lediglich deren Ausschluss aus einer Vielzahl von Lieferketten hier ansässiger Unternehmen. Ein klarer Widerspruch zu den Zielen der deutschen Entwicklungspolitik. Unternehmen, die Rohwaren aus risikoreichen Ländern beziehen und damit auch zu deren Einkommen beitragen, brauchen Orientierung und Unterstützung. Die Verbesserung der Menschenrechtssituation ist nicht per Knopfdruck zu erreichen, sondern ein Prozess. Dieser Prozess ist nicht zuletzt durch den NAP beschrieben und auf den Weg gebracht worden. Wir müssen ihn nun konsequent weiterverfolgen ohne durch Aktionismus Unsicherheit auf Seiten der Unternehmen auszulösen. Wenn sich die Unternehmen aus diesen Ländern zurückziehen, haben wir nichts gewonnen.
BVE: Bundesminister Heil spricht von ernüchternden Ergebnissen. Wie bewerten Sie die erste Phase des NAP-Monitorings?
S. Sabet: Wie sagt man so schön? Abgerechnet wird am Schluss. Wir glauben, die erste Phase des Monitorings hat noch viel Verbesserungspotential offengelegt, was die NAP-Umsetzung angeht. Unternehmen, die den NAP ernsthaft umsetzen wollen brauchen noch mehr Unterstützung. Es kann nicht sein, dass Unternehmen umfangreich zu ihrem Engagement der Bundesregierung berichten und dann weder Feedback zu ihrem Umsetzungsstand noch zu Möglichkeiten der Verbesserung erhalten. Wir sehen auch nach wie vor viele Fragezeichen bei der konkreten Umsetzung der NAP Ziele in die Praxis, bspw. wie gehen Unternehmen damit um, wenn unternehmerische Maßnahmen zur Abhilfe von Menschenrechtsverletzungen nicht sofort erfolgreich sind bzw. von staatlicher Gesetzgebung blockiert werden? Wir sollten uns von den Ergebnissen des ersten Monitorings nicht verunsichern lassen, sondern vielmehr daraus lernen, wie wir den NAP bis 2020 zu einem Erfolg führen können. Wir glauben nach wie vor, dass mit der richtigen Unterstützung ein Erfolg möglich ist.
BVE: Schauen wir einmal ein bisschen in die Zukunft. Können Sie den Satz vollenden: Wenn die Ergebnisse der zweiten Phase des Monitorings nicht überzeugen, dann…
S. Sabet: …dann ergreift die deutsche Bundesregierung geeignete Maßnahmen, um die VN-Leitprinzipien rasch umzusetzen. Darüber hinaus fordern wir, dass sich die Bundesregierung für einen harmonisierten europäischen Regelungsrahmen einsetzt, der die VN-Leitprinzipien einheitlich in allen Mitgliedstaaten umsetzt. Damit bringt sie ihren Teil der Verantwortung für die Verbesserung der Menschenrechtssituation in den Lieferketten klar zum Ausdruck.