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Clean Meat – Fleischkonsum ohne Tierzucht
08.01.2019
Fleischkonsum ohne Tierzucht: Das ist nicht mehr nur Zukunftsmusik, sondern könnte schon bald Alltag sein. In vielen Laboren wird an der Herstellung des sogenannten „Clean Meats“ geforscht. Das künstliche Fleisch wird aus Stammzellen gewonnen und in einem Bio-Reaktor herangezüchtet. Auf der Konferenz Farm & Food 4.0 in Berlin am 21. Januar 2019 wird unter anderem diese Thematik diskutiert. Im Vorfeld hat uns der Moderator der Diskussion, Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst (WING), einige Fragen beantwortet.
BVE: Künstliches Fleisch, das Fleisch der Zukunft, Laborfleisch – was genau ist Clean Meat und worin unterscheidet es sich nicht nur zu Fleisch, sondern auch zu den bisherigen Fleischalternativen?
Prof. Dr. Windhorst: Es ist offensichtlich, dass in einigen Berichten, die in den letzten Wochen in den Medien erschienen sind, nicht klar genug zwischen den einerseits bereits auf dem Markt verfügbaren Fleischersatzprodukten und andererseits den neuen Wegen in der Fleischerzeugung aus Zellkulturen unterschieden wird. Dazu kommt außerdem noch ein dritter Weg, nämlich die Erzeugung fleischähnlicher Produkte aus pflanzlichem Material. Hier ist das in El Segundo (Kalifornien) ansässige Unternehmen Beyond Meat führend. Die vom Unternehmen erzeugten Plant-Based Burger Patties (ein dem Hackfleisch ähnliches Produkt) werden inzwischen in den USA in einigen Supermarktketten und Restaurants angeboten. Seit November 2018 vertreibt sie in Deutschland das Unternehmen Wiesenhof.
Von den Fleischersatzprodukten auf der Basis pflanzlicher Proteine unterscheidet sich das Clean Meat, Laboratory-cultured Meat oder In-vitro Meat grundlegend. Das Produkt ist Fleisch, das aus Zellkulturen entsteht. Dazu werden Zellen, die man zum Beispiel aus den Föten ungeborener Kälber entnimmt, in eine Nährlösung eingebracht. In dieser Lösung entwickelt sich dann eine faserige Masse, die mit dem Fleisch eines Rindes identisch ist. Auf die Substitution von Rindfleisch konzentrieren sich gegenwärtig die meisten Startups, weil der Hackfleischmarkt zunächst die besten Absatzmöglichkeiten eröffnet. Meines Wissens forscht wohl nur das israelische Unternehmen SuperMeat daran, Verfahren zur Erzeugung von Hähnchenfleisch aus Zellkulturen zu entwickeln.
BVE: Wie weit ist die Technik zur Herstellung von Clean Meat? Kann man es bald kaufen und verzehren?
Prof. Dr. Windhorst: Bislang sind erst verschwindend geringe Mengen an Fleischersatzprodukten auf den Markt gelangt im Vergleich zu konventionell erzeugtem Fleisch. Dies sollte aber nicht dazu verleiten, die Entwicklung als kurzfristigen Hype abzutun. Das finanzielle Engagement von Unternehmen wie Tyson, Cargill oder auch Wiesenhof zeigt, dass man die sich hier anbahnende Dynamik ernst nimmt. Tyson Foods und auch Wiesenhof erklärten in Pressemitteilungen, dass man sich in Zukunft eher als Unternehmen zur Proteinherstellung verstehe. Man habe in Startups investiert, um deren Wissen nutzen zu können für die Errichtung großer Anlagen zu Erzeugung von clean meat.
Fleisch aus Zellkulturen wird nach dem bisherigen Stand der Entwicklung wohl nicht vor 2030 in größeren Mengen auf den Markt gelangen und dann auch nur in wenigen Ländern. Realistische Einschätzungen selbst der Startup-Unternehmen gehen von einem Anteil von etwa 20 Prozent am Markt für Burger-Patties im Jahr 2030 aus. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Konsumenten die so erzeugten Produkte auch annehmen. Selbst wenn man ein dem Hackfleisch ähnliches Produkt erzeugen kann, dann ist das noch längst kein Steak oder ein Hähnchenbrustfilet. Deren Entwicklung wird sicherlich noch deutlich länger dauern.
BVE: Haben Sie Clean Meat schon einmal selbst probiert? Wenn ja, wie war die Kostprobe?
Prof. Dr. Windhorst: Ja, im vergangenen Jahr in Kalifornien. Es war der von Beyond Meat entwickelte und vermarktete Burger, den ich bereits erwähnte. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es sich um ein Fleischersatzprodukt handelt, hätte ich es nicht gemerkt. Allerdings sind Produkte, die im Labor erzeugt werden, noch nicht auf dem Markt.
BVE: Was entgegnen Sie Menschen, die künstliches Fleisch skeptisch ablehnen? Worin sehen Sie die Chancen und Vorteile dieses Produktes?
Prof. Dr. Windhorst: Zunächst ist eine Skepsis gegenüber „künstlichem Fleisch“ verständlich, weil über den Herstellungsprozess und die eingesetzten Materialien wenig bekannt ist. Dies erklärt zum Beispiel auch die in den USA geführte Diskussion, wer denn für die Überwachung der Erzeugung und die Freigabe des Produktes als Lebensmittel zuständig ist. Hierzu muss in Deutschland auch noch eine Entscheidung getroffen werden. Da bislang kein Startup-Unternehmen in Deutschland in diesem Feld arbeitet, hat sich die Notwendigkeit noch nicht ergeben.
Wenn es gelingt, die Erzeugung ethisch vertretbar zu realisieren und der Preis für den Konsumenten akzeptabel ist, dann liegt der Vorteil dieser Form der Erzeugung tierischer Proteine sicherlich darin, dass weniger Tiere getötet werden müssten, um Fleisch für die Konsumenten bereitzustellen. Die Erzeugung könnte ebenfalls dazu beitragen, die nur begrenzt verfügbaren Ressourcen zur Ernährung einer wachsenden Bevölkerung nachhaltiger zu nutzen.
Am 21. Januar findet in Berlin die Veranstaltung „Farm & Food 4.0 – digital impact along the value chain“ statt. Themenschwerpunkte sind Internationale Trends im AgTech- und FoodTech-Bereich sowie Kollaborationen und Innovationen entlang der Wertschöpfungskette. Tickets können unter www.farm-and-food.com erworben werden.