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Fischalternativen: Eine Chance für die Umwelt?
29.01.2019
Fischalternativen finden in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung. Ähnlich wie bei künstlich hergestelltem Fleisch gibt es jedoch Forschungen über die Herstellung von Fisch, der aus pflanzlichen Proteinen oder Zellkulturen gewonnen wird. Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst (WING) erklärt uns im Interview unter anderem, warum über die menschliche Erzeugung von Fisch weniger berichtet wird und worin er die Vorteile von laborerzeugten Fischprodukten sieht.
BVE: Laborerzeugtes Fleisch wird immer wieder diskutiert. Einen Diskurs über Alternativen zu Fisch gibt es jedoch kaum. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Sind Fischalternativen schwieriger herzustellen oder liegt es an der Nachfrage?
Prof. Dr. Windhorst: In der Tat liegen im Vergleich zu Berichten über Fleisch aus Zellkulturen Informationen über die Parallelentwicklung bei Fisch und Meeresfrüchten kaum vor. Dafür gibt es meines Erachtens zwei Gründe. Zum einen ist die Zahl der Startups, die sich mit Fischersatzprodukten und Fisch aus Zellkulturen beschäftigen, noch sehr gering, zum anderen sind sie alle erst nach 2015 gegründet worden, einige sogar erst im Jahr 2017. Die Herstellung ist nicht schwieriger als bei Fleisch, doch liegt eine andere Marktsituation vor. Während die konventionellen Burger Patties, die zumeist aus Rindfleisch hergestellt werden, ein äußerst attraktiver Markt sind, ist der Umsatz beim Fischburger sehr viel niedriger. Deshalb verfolgen die Startups, die Fischersatzprodukte oder Fisch aus Zellkulturen herstellen, eine völlig andere Marketingstrategie. Die Gründer dieser Unternehmen kommen entweder aus der Restaurantbranche oder aus dem Bereich der Meeresbiologie. Sie wenden sich mit ihren Produkten bislang vorrangig an hochpreisige Restaurants an der West- bzw. Ostküste der USA. Dort ist eine Klientel von Konsumenten vorhanden, die vegetarisch oder vegan lebt und bereit ist, die zurzeit noch hohen Preise zu zahlen.
BVE: Wie weit ist die Forschung zu Fischalternativen? Welche Methoden gibt es?
Prof. Dr. Windhorst: Man muss genau wie beim Fleisch unterscheiden zwischen Fischersatzprodukten, die aus pflanzlichen Proteinen hergestellt werden, und Fisch, der aus Zellkulturen gewonnen wird. Die Verfahren sind dem in der Herstellung von Fleischersatzprodukten und Laborfleisch ähnlich. Bei den Fischersatzprodukten nimmt Good Catch Foods (Sitz in Pennsylvania) eine Führungsrolle ein. Sie bieten im Markt schon jetzt „fish-free tuna, fish-free burger und crab-free cakes“ an. An diesem Unternehmen hat sich auch das deutsche Unternehmen Wiesenhof finanziell beteiligt. Im Bereich der Erzeugung von Fisch aus Zellkulturen sind bislang erst zwei Startups tätig. Dies sind das in San Diego ansässige Unternehmen BlueNalu und Seafuture (Calgary, Kanada). BlueNalu verfügt über ein hochqualifiziertes Team von Wissenschaftlerinnen und umfangreiches Risikokapital. Die Technologie ist vom Ansatz her einfach. Lebenden Fischen werden Zellen entnommen. Diese werden in eine Nährlösung gebracht und dort vermehrt. Der so erzeugte Fisch kann dann zu unterschiedlichen Endprodukten verarbeitet werden. Das Unternehmen hat bislang noch keine Produkte im Markt angeboten. Es ist nicht bekannt, wann Mengen erzeugt werden können, die für den Lebensmitteleinzelhandel und die Systemgastronomie oder Restaurants interessant sind.
BVE: Welche Chancen und Vorteile sehen Sie in der künstlichen Herstellung von Fisch?
Prof. Dr. Windhorst: Angesichts der Überfischung der Meere und der Gefährdung zahlreicher Fischarten ist der Weg, Alternativen zum konventionellen Fischfang zu entwickeln, vielversprechend. Auch Fische oder Garnelen aus Aquakulturen werden wegen der Verwendung von Antibiotika und anderen Medikamenten vielfach kritisch beurteilt. Dies geschieht vor allem wegen der im Produkt verbleibenden Reste. Von den Gründern der Startups werden neben ökologischen Aspekten, das heißt dem Schutz der marinen Lebenswelt, ethische Gesichtspunkte genannt. Die neuen Technologien erübrigen das Töten der Fische und anderen Meeresfrüchte. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Aspekte nicht nur bei Vegetariern und Veganern auf Zustimmung stoßen, sondern auch bei der Gruppe der Flexitarier.
BVE: Welche Risiken bestehen, wenn die Nahrungserzeugung von der Natur in Labore verlegt wird?
Prof. Dr. Windhorst: Ob die neuen Technologien eine Gefahr für die Konsumenten oder die bisher in der Erzeugung konventioneller Lebensmittel tätigen Betriebe, seien es landwirtschaftliche Betriebe, agrarindustrielle Unternehmen, Fischer oder die Betreiber von Aquakulturen, darstellen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum zu beantworten, dazu ist die Entwicklung noch zu jung. Wenn es gelingt, die Erzeugung von Fleisch oder Fisch aus Zellkulturen in marktfähige Dimensionen auszuweiten, dann wird das sicherlich Konsequenzen für die konventionelle Erzeugung haben. Die Tatsache, dass sich führende Unternehmen in der Fleischerzeugung in großem Umfang finanziell engagieren, macht deutlich, dass sie der Technologie eine Zukunft geben. Andererseits sind bislang erst wenige Detailinformationen zu den Verfahren bekannt. Die in den USA geführte Diskussion, welche Institution die Produktion überwachen soll und die Freigabe als Lebensmittel vollzieht, zeigt, dass im Gegensatz zu den Fleisch- und Fischersatzprodukten auf Pflanzenbasis eine Überwachung der sogenannten „cellular agriculture“ als notwendig angesehen wird.