Gewürze sind Naturprodukte und wachsen in Ländern mit optimalen klimatischen Anbauvoraussetzungen. Überwiegend sind dies Ursprungsländer mit kleinbäuerlichen, ländlichen Strukturen. Wie können hier Lieferketten für Gewürze sichergestellt werden und welchen Einfluss haben deutscher Unternehmen auf die Akteure? Und wie sieht es mit den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten aus? Diese und andere Fragen beantwortet Markus Weck, Hauptgeschäftsführer Kulinaria Deutschland e.V. - Verband der Hersteller kulinarischer Lebensmittel im Interview.
BVE: Herr Weck, wie sehen die Lieferketten für Gewürze wie zum Beispiel Pfeffer, Kurkuma oder Zimt aus?
Markus Weck: Gewürze wachsen nicht vor der Haustür. Pfeffer z.B. kommt vor allem aus Brasilien, Vietnam, Indien und Sri Lanka. Der überwiegende Teil unserer Mitgliedsunternehmen bezieht die Gewürze zur Weiterverarbeitung nicht unmittelbar in den Ursprungsländern, sondern von Importeuren in Deutschland oder den Niederlanden. Gerade kleinere Unternehmen ziehen diesem Weg einem direkten Import aus den Ursprungsländern vor, weil eine Rückabwicklung im Reklamationsfall viel einfacher ist. Einige Mitglieder sind in den Ursprungsländern präsent und beziehen ihre Gewürze vor Ort. Die wenigsten Mitglieder betreiben in den Ursprungsländern einen eigenen Vertragsanbau.
Allgemein lässt sich sagen, dass die meisten Gewürze in kleinbäuerlichen, ländlichen Strukturen angebaut und geerntet werden und erst über mehrere Zwischenhändler oder Kooperative zum Exporteur gelangen. Damit nennenswerte Mengen an Gewürzen zusammengetragen werden, sind die Gewürzverarbeiter also auf das Zusammenspiel vieler Kleinbauern und Händler angewiesen. In den Herkunftsregionen stellt der Gewürzanbau eine wichtige Einkommensquelle für viele Familien dar, die aus Sicht des Fachverbandes auch in Zukunft gesichert bleiben muss.
BVE: Wieviel Kontrolle und Einfluss seitens deutscher Unternehmen auf die einzelnen Akteure der Gewürzlieferketten ist möglich?
Markus Weck: Für die Unternehmen, die ihre Ware von einem Importeur beziehen, enden Einfluss und Kontrolle beim Importeur. Das Thema CSR wird zwar abgefragt, kann aber von Abnehmern nicht weiter kontrolliert werden. Es entspricht auch dem legitimen Interesse der Importeure, ihre Lieferanten nicht preiszugeben. Nur wenige Unternehmen sind in der Lage, deutlich tiefer in der Lieferkette zu wirken, z.B. über Vertragsanbau und Einkauf direkt bei Genossenschaften oder in den kleinbäuerlichen Strukturen. Das ist extrem aufwendig und erfordert Strukturen vor Ort.
BVE: Welche Maßnahmen ergreift die Gewürzindustrie, um ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen?
Markus Weck: Die Unternehmen der Gewürzindustrie versuchen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Einfluss innerhalb der Lieferkette geltend zu machen. Dieser Einfluss reicht allerdings in der Regel nur bis zum unmittelbaren Vertragspartner, und selten darüber hinaus. Einzelne Unternehmen haben unterschiedliche Initiativen ergriffen, um die kleinbäuerlichen Strukturen vor Ort zu erhalten und zu stärken.
BVE: Was würde passieren, wenn die Unternehmen aufgrund von Rechtsunsicherheiten und Sorge vor einer zivilrechtlichen Haftung nur noch Lieferbeziehungen mit Ländern haben, in denen keine Menschenrechtsverletzungen zu befürchten sind?
Markus Weck: Gewürze sind Naturprodukte und wachsen in Ländern, wo sie die optimalen klimatischen Anbauvoraussetzungen haben. Viele Anbauländer sind Entwicklung- und Schwellenländer. Neben dem Engagement der hiesigen Gewürze verarbeitenden Unternehmen ist es wichtig, dass auch die Regierungen in den Anbauländern Initiative zeigen und sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Beide Seiten sind gefragt Verantwortung zu übernehmen. Diese Aufgabe allein den Unternehmen zu überantworten, die Lebensmittel aus diesen Ländern zu beziehen, wird der Sache nicht gerecht und hat wenig Aussicht auf Erfolg. Die Situation der Menschen vor Ort wird sich nicht verbessern, wenn sich Kunden aus diesen Ländern aus Angst vor Haftung zurückziehen.
BVE: Was hätte das auch für die Entwicklungsländer an Konsequenzen?
Markus Weck: In diesen Ländern müssten andere Lieferantenstrukturen geschaffen werden, weg von den kleinen Anbauern und Produzenten hin zu leichter zu überwachenden großen Wirtschaftseinheiten. Viele kleinere Anbauer und deren Familien würden ihrer Existenz beraubt.
BVE: Welche Maßnahmen – politisch, unternehmerisch, gesellschaftlich – müssten getroffen werden, um die menschenrechtliche Situation vor Ort weiter zu verbessern?
Markus Weck: Die Politik ist in der Pflicht, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und zu bekämpfen. Dieses Thema allein auf die Wirtschaft abzuschieben, ist realitätsfern. Gemeinsame Initiativen vor Ort, durch die Politik und durch Unternehmen, könnten allerdings sehr hilfreich sein.