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Nach der US-Wahl: Chancen für bessere Handelsbeziehungen?
05.11.2020
Die letzten Stimmen der Wahl in den Vereinigten Staaten von Amerika werden noch ausgezählt, ein Wechsel der Präsidentschaft gilt als möglich bis wahrscheinlich. Welche Auswirkungen ein neuer Präsident für die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA hätte, erklärt BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet im Interview.
BVE: Sollte Biden die Wahl gewinnen, wie würde sich das Verhältnis zu den USA ändern? Welche Erwartungen haben Sie nach der Präsidentschaftswahl für die Unternehmen, die Sie mit dem BVE vertreten?
Stefanie Sabet: Angesichts der deutlichen Spannungen in den USA ist es aus unserer Sicht zu früh, um verlässlich bewerten zu können, welchen Kurs der gewählte Präsident einschlagen wird.
Die Handelsbeziehungen der EU mit den USA waren zumindest auch bereits vor der Präsidentschaft Trumps nicht einfach bzw. von unterschiedlichen Interessen geprägt, das haben die Debatten um TTIP gezeigt. Mit der Präsidentschaft Trumps gab es hier natürlich eine deutliche Verschärfung des handelspolitischen Kurses hin zu mehr Protektionismus sowie eine Abkehr vom multilateralen Dialog. Ein Wechsel in der Präsidentschaft gäbe zumindest Anlass zur Hoffnung auf eine stärkere Dialogbereitschaft hinsichtlich des multilateralen Handelssystems sowie der Intensivierung der Gespräche über den Abbau von Handelshemmnissen im transatlantischen Handel. Dies ist notwendig, um die Marktchancen der deutschen Lebens-mittelexporteure in den USA zu verbessern.
BVE: Auf Produkte wie Parmesan-Käse, Kaffee, Kekse, Frischkäse und Liköre sowie Emmentaler hat Präsident Trump Strafzölle erlassen. Welche Auswirkungen hatte dies für die deutsche Ernährungsindustrie?
Stefanie Sabet: Seit dem 18. Oktober 2019 erheben die USA im Rahmen der WTO-Regeln Importzölle von 25% auf zahlreiche deutsche Lebensmittel. Nach BVE Schätzungen ist ein Exportvolumen von ca. 560 Mio. Euro betroffen, das macht bei unveränderten Handelsströmen zusätzliche Zölle von 140 Mio. Euro aus. Die BVE hat mehrfach die Entscheidung der USA kritisiert, Strafzölle im Agrarsektor zu erheben, obwohl dieser zur Streitursache nicht beigetragen hat. Für die Unternehmen der Ernährungsindustrie mit Exportgeschäft in den USA haben die Zölle zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Wettbewerbsposition geführt. Weiter bleibt zu befürchten, dass sich die Situation verschärfen wird, da nun auch die EU durch die WTO berechtigt wurde, Strafzölle auf US-Importe zu verhängen und somit sich auch US-Agrarimporte für die europäische Weiterverarbeitung verteuern werden. Das trifft die Lebensmittelhersteller doppelt hart, da sie nun auf Einkaufs- wie Verkaufsseite mit steigenden Kosten konfrontiert sind. Die BVE fordert daher dringend eine Deeskalation in dem Handelsstreit im Luftverkehrssektor und die Aufnahme von bilateralen Gesprächen zum Abbau von Handelshemmnissen. Auch Unterstützungsmöglichkeiten für die betroffenen aber unbeteiligten Lebensmittelhersteller müssen aus Sicht der BVE diskutiert werden.
BVE: Wie wichtig ist der US-Markt generell für die deutsche Ernährungsindustrie? Wie verändern sich die Marktchancen nach der Wahl?
Stefanie Sabet: Die USA sind hinter dem Vereinten Königreich und China der wichtigste Nicht-EU-Absatzmarkt für Produkte der deutschen Ernährungsindustrie. Im Jahr 2019 exportierte die Branche Lebensmittel im Wert von rund 1,8 Milliarden Euro in die USA, was einem Anteil von rund 3 Prozent der Exporte entspricht. Aktuell sind die Exporterwartungen der Unternehmen für den US-Markt mehrheitlich gedämpft bis sinkend, was mit der zuvor beschriebenen Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch die Strafzölle zu tun hat. Von der Lösung dieser Problematik wird ein Wandel der Erwartungshaltungen wahrscheinlich am meisten abhängen.
BVE: Welche Handelshemmnisse müssten aus Ihrer Sicht beseitigt werden?
Stefanie Sabet: Mit dem Scheitern der TTIP-Verhandlungen bestehen auch diverse tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse fort, so etwa: hohe Durchschnittszollsätze, unterschiedliche Anforderungen an Produkte und Produktionsstandards, erschwerte oder unverhältnismäßige sowie intransparente Einfuhrvorschriften, fehlende Harmonisierung von Regularien der einzelnen US-Bundesstaaten aber auch Doppelbürokratie durch mangelnde Anerkennung der staatlichen Überwachung in der EU bzw. Deutschland. Durch das Fehlen ambitionierter handelspolitischer Gespräche betrachtet die BVE mit großer Sorge zudem die Möglichkeit des Aufbaus neuer Handelsbarrieren, die das US-Exportgeschäft deutscher Lebensmittelhersteller weiter erschweren könnten.
Wünschenswert wäre vor allem eine bessere regulatorische Kooperation bspw. durch mehr Transparenz zwischen den jeweiligen Behörden und auch den Abbau von Doppelbürokratie. Über 2700 bundessstaatliche und kommunale US-Behörden stellen – teils sogar unterschiedliche – Anforderungen an den Import europäischer Lebensmittel in die USA. Diese Praxis stellt die deutschen Lebenshersteller vor eine fast unlösbare Herkulesaufgabe. Nicht nur diese unterschiedlichen regulatorischen Verfahren stellen eine Herausforderung dar. Darüber hinaus erschweren unterschiedliche Produkt- und Produktionsstandards sowie die fehlende Anerkennung von Verfahren, die die Sicherheit der Produkte garantieren soll, das US-Geschäft.
Vor diesem Hintergrund sind Gespräche zwischen der EU und der US-Administration über eine verbesserte regulatorische Zusammenarbeit aus Sicht der deutschen Lebensmittelhersteller sehr zu begrüßen. Trotzdem ersetzen diese Gespräche aus Sicht der BVE nicht weitreichende ambitionierte Verhandlungen, die zu einem Handelsabkommen führen. Wir würden uns sehr freuen, wenn in diese Verhandlungen neuer Schwung kommen würde.
Aktuell liegt das US-Geschäft weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die BVE fordert daher, die regulatorische Kooperation und gegenseitige Anerkennung geltender Verfahren weiter voranzutreiben.