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Die Einwegkunststoffverbotsverordnung: Schwierigkeiten und Lösungsansätze
09.06.2020
Vor einem Jahr – am 5. Juni 2019 – beschlossen das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Richtlinie 2019/904/EU, die die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt zum Ziel hat. Ein Teil der darin enthaltenen Maßnahmen ist das Verbot von Einwegkunststoffprodukten und Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff. Im April dieses Jahres hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) vorgelegt. Für die Ernährungsindustrie als Branche mit einem hohen Exportanteil ist es begrüßenswert, dass das federführende Bundesumweltministerium im Rahmen dieser Verordnung eine „eins-zu-eins“-Umsetzung der relevanten Regelungen beabsichtigt.
Verwendung von Verpackungen mit geringem Kunststoffanteil
Die Ernährungsindustrie ist aufgrund des Einsatzes von Kunststoffverpackungen unter anderem zur Portionierung, zum Transport und zum Schutz von Lebensmitteln in vielfältiger Weise vom Regelungsinhalt der Richtlinie betroffen. Umso wichtiger ist es, dass Klarheit über die Einsatzmöglichkeiten von Verpackungsmaterialien herrscht. In der Ernährungsindustrie werden beispielsweise papier-/faserbasierte Verpackungen mit einem geringen Kunststoffanteil eingesetzt, der vielfach als Beschichtung fungiert (sogenannte Coatings). Nach Kenntnisstand der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE) gibt es aus dem Bereich der EU-Mitgliedsstaaten eine entsprechende Anregung, einen Schwellenwert in Höhe von zehn bis 15 Prozent Kunststoffanteil zu gewähren. Einwegkunststoffartikel, deren Kunststoffanteil unter diesem Wert liegen, würden demnach nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst. Bei der Umsetzung der Richtlinie müsste dies beachtet werden.
Kunststofftrinkhalme: Grenzen der bisherigen Alternativen
Das Verbot von Einwegkunststoffprodukten umfasst insbesondere Trinkhalme aus Plastik. Während es für den Gebrauch von Trinkhalmen in Privathaushalten oder der Gastronomie Mehrweglösungen auf der Grundlage von Glas oder Metall und Einwegalternativen auf der Grundlage von Bambus oder Stroh gibt, steht die Getränkebranche vor einer großen Herausforderung. Bei Getränkekartonverpackungen und Folien-Standbeuteln, die zusammen mit einem Trinkhalm als Produkteinheit vertrieben werden, sind besondere Anforderungen an den Trinkhalm zu stellen. Diese Trinkhilfen sind so konstruiert, dass sie sowohl der Größe der zugrundeliegenden Behältnisse entsprechen als auch dazu in der Lage sind, die Schutzmembrane an der Gebindeöffnung zu perforieren. Bislang konnte aus Sicht der betroffenen Getränkewirtschaft aufgrund dessen noch keine gute Alternative zum Kunststoffhalm in diesem Anwendungsbereich gefunden werden.
Gemeinsam mit ihren Lieferanten arbeiten die Getränkehersteller mit großem Aufwand daran, eine Trinkhilfe zu entwickeln, die genauso geeignet ist wie die Kunststoffvariante. Im Fokus der Entwicklungsarbeiten stehen insbesondere papierbasierte Trinkhalme. Um die benötigte Festigkeit zu erreichen, ist es erforderlich, dass die Faserstoffe unter Anreicherung mit lebens-mitteltauglichen Klebstoffen in einem entsprechenden technischen Fertigungsprozess hergestellt werden. In der Richtlinie muss daher festgehalten werden, dass Farben, Tinten und Klebstoffe keine Polymere im Sinne der Einwegkunststoffverbotsverordnung sind.
Komplexe Umstellungen brauchen Zeit
Obwohl die Getränkehersteller bereits die Umstellung auf alternative Trinkhalme vorbereiten, ist derzeit nicht absehbar, ob und inwieweit alle betroffenen Getränkehersteller dazu in der Lage sind, den Anforderungen bis zum vorgesehenen Inkrafttreten des Inverkehrbringungsverbotes am 03.07.2021 zu entsprechen. Vor allem die Entwicklung neuer Fertigungsmaschinen zur Massenproduktion von Trinkhalmen gestaltet sich langwierig und kostenintensiv. Die Kosten der neuen Papierhalme liegen derzeit um den Faktor 4 - 5 über den derzeitigen Plastikhalmen, da die Fertigungsmaschinen in der kurzen Zeit bis zum Verbot nicht hinreichend entwickelt und in ausreichender Anzahl hergestellt werden können. Die Fertigungsgeschwindigkeiten für die Trinkhalme sind daher noch zu niedrig. In diesem Kontext ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich die mit Covid-19 verbundenen Beeinträchtigungen auch auf diesen Wertschöpfungsbereich ausgewirkt haben. Die BVE fordert daher zumindest beim Vollzug der vorgesehenen Verordnung eine Übergangsregelung.