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Coronavirus und Lebensmittelversorgung
Ist die Versorgung von Lebensmitteln trotz Coronakrise gesichert? Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) beruhigte am 17. März gemeinsam mit Vertretern der Branche (darunter die BVE) auf der Bundespressekonferenz die Verbraucher. Eine Nahrungsmittelknappheit ist nicht zu befürchten. Nichtsdestoweniger müssen schon jetzt die wachsenden Herausforderungen für die Unternehmerinnen und Unternehmer ernst genommen werden. Dr. Christian von Boetticher, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, machte dies in seinem Eingangstatement deutlich.
Den Wortlaut zum Nachlesen finden Sie hier (es gilt das gesprochene Wort):
"Zunächst einmal möchte ich meinen Dank an die Bunderegierung für deren koordinierendes und deeskalierendes Vorgehen richten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) koordiniert den engen Informationsaustausch über die gesamte Lieferkette und legt damit die Basis für ein funktionierendes Krisenmanagement.
Bereits 2009 hat die Bundesministerium des Inneren im BSI-Gesetz festgelegt, dass die Ernährungsindustrie zur Kritischen Infrastruktur zählt. Diese frühe Festlegung hilft uns heute sehr, Gehör zu finden für die Herausforderungen unserer Branche und damit auch für die Sicherung der Lebensmittelproduktion.
Mein Dank geht aber auch an die Belegschaft und die Betriebsräte in den Unternehmen. Sie ermöglichen mit ihrem besonderen Engagement eine verlässliche Lebensmittelproduktion durch zusätzliche Sonderschichten und ein hohes Maß an Flexibilität. Darüber hinaus nehmen sie einen Mehraufwand durch höhere Hygienemaßnahmen auf sich.
Aus diesen Gründen kann ich heute sagen: Die Versorgung der Menschen in unserem Land mit ausreichend sichern und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ist gesichert.
Weichen stellen
Für uns ist allerdings auch wichtig, dass diese Aussage noch gilt, wenn wir den Höhepunkt der Corona-Infektion erreicht haben. Aus diesem Grund müssen wir jetzt die Weichen stellen, damit die Wertschöpfungskette Lebensmittel auch dann noch in Takt ist.
Dazu gehört eine temporäre Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Ich denke, beispielsweise an die maximale Arbeitszeit von 10 Stunden. Wir brauchen weitere Ausnahmen in der Sonntagsarbeitszeit und beim Einsatz von 450-Euro-Kräften. Auch müssen wir über eine Verlängerung der Lenkzeiten auf europäischer Ebene nachdenken, denn Herausfor-derungen liegen auch in der Logistik.
Um die Versorgung mit Lebensmitteln auch in Zukunft sicher zu stellen, benötigen wir klare und einheitliche Regelungen bei Verdachtsfällen in den Unternehmen. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass Betriebe gänzlich geschlossen werden. Flexiblere Ansätze in der Arbeitsorganisation müssen in Kooperation mit den Gesundheitsämtern abgestimmt werden können. Um die Produktion auch bei einer größeren Infektionswelle aufrecht zu erhalten, müssen zudem ausreichend Schnelltests für alle potenziell Erkrankten in den Unternehmen verfügbar sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verfügbarkeit von Hygiene- und Arbeitsschutzartikeln. Wir sind uns bewusst, dass Krankenhäuser hier natürlich Vorrang haben, trotzdem sollte die Politik auch gesicherte Kontingente für Lebensmittelhersteller vorsehen. Hierzu sind wir mit der Bundesregierung im Gespräch.
Kritische Infrastruktur
Ein weiteres Thema, mit dem wir mit der Bundesregierung im Gespräch sind, ist das Thema „Kritische Infrastruktur“. Es muss bundesweit und jederzeit sichergestellt sein, dass die Mitarbeiter der Lebensmittelproduktion zur Arbeit kommen können. Aktuell gilt dies insbesondere für die Mütter und Väter in unseren Unternehmen, die auf eine Notfallbetreuung ihrer Kinder angewiesen sind, damit die Produktion in den Betrieben nicht in Gefahr gerät. Denn auch unsere Unternehmen gehören – wie eingangs erwähnt – zur Kritischen Infrastruktur. Ich freue mich sehr, dass wir mit Ministerin Klöckner hier eine engagierte Fürsprecherin haben. Allerdings herrscht diese Meinung noch nicht überall vor. Es kann nicht sein, dass wir in ruhigen Zeiten für mögliche Krisen den Begriff „Kritische Infrastruktur“ definieren und in der Krise wird über diese Definition neu nachgedacht. Das macht keinen Sinn!
Solidarität
Gestatten Sie mir noch einen weiteren Punkt: Sowohl die Ministerin als auch von Seiten der deutschen Ernährungsindustrie können wir versichern, dass es keinen Grund für Hamsterkäufe gibt. Im Gegenteil: Ein solches Einkaufsverhalten bringt die Produktion in Schwierigkeiten und sorgt für weiteren Druck auf das System.
Ich appelliere daher an die Solidarität aller. So wie wir hier den Schulterschluss in der Wertschöpfungskette für eine gesicherte Versorgung von Lebensmitteln praktizieren. Brauchen wir Hersteller auch den Schulterschluss mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Deshalb bitten wir alle Menschen beim nächsten Einkauf mit Besonnenheit ein Zeichen der Solidarität zu setzen.
Bevor ich zum Ende meiner Ausführungen komme, möchte ich noch einen wichtigen Punkt ansprechen: An vielen Stellen wird in der aktuellen Situation immer wieder Kritik an der Globalisierung laut. Das darf nicht unser Credo werden! Denn: Der internationale Handel sichert auch gerade jetzt in Krisenzeiten unsere Versorgung. Außerdem ist er in mehrfacher Hinsicht eine Bereicherung: Für unseren Speiseplan, für die Stabilität der deutschen Ernährungsindustrie und auch in unseren Partnerländern hat der Handel viele positive Entwicklungen befördert. Wir als deutsche Ernährungsindustrie sagen deshalb ganz entscheiden Nein zu einem „Europa first“ im trumpschen Sinne!"