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Trotz Veggie-Trend: 60% der Proteine sind tierischen Ursprungs
12.07.2021
Immer mehr Menschen verzichten ganz oder teilweise auf Fleisch. Tendenz steigend. Gleichzeitig wächst das Interesse an pflanzlichen Alternativen. Um auch in Zukunft den Proteinbedarf der Welt stillen zu können, rücken Hülsenfrüchte und Getreide in den Fokus. Kann die steigende Nachfrage nach Erbsen, Getreide und Co. regional bedient werden? Welches Potenzial steckt dahinter? Und hat Tierhaltung weiterhin ihre Berechtigung? Diese Fragen stellt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland und der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Prof. Dr. Stefan Siebert von der Georg-August-Universität Göttingen. Er ist Experte für nachhaltige Ressourcennutzung und Erhöhung der Produktivität im Pflanzenbau.
Prof. Siebert, welche Rolle spielen Pflanzen in Zukunft als Proteinquelle?
Prof. Siebert: Ich denke die Rolle wird größer werden. Im Moment steht tierisches Protein bei der Ernährung in Deutschland noch im Vordergrund. Der Anteil der Hülsenfrüchte ist noch sehr gering - das wird sich in Zukunft ändern.
Sind wir bei Hülsenfrüchten regional gut aufgestellt?
Prof. Siebert: Es passiert gerade sehr viel, dabei kommen die Anreize nicht nur direkt von den Verbrauchern. Auch Insektensterben und Diversitätsfragen spielen eine Rolle. Gerade für Insekten sind Hülsenfrüchte sehr wertvoll. Daraus ergibt sich ein Potential, den Anbau von Hülsenfrüchten auch in Zukunft verstärkt zu fördern. Zudem brauchen Hülsenfrüchte keinen Stickstoffdünger, was in Bezug auf andere Nachhaltigkeitsfragen sehr positiv ist.
Bei pflanzlicher Ernährung bleibt ja eine Menge Biomasse übrig. Brauchen wir eine Kreislaufwirtschaft, in der auch Tierhaltung ihren Platz hat?
Prof. Siebert: Tierhaltung per se ist nicht unbedingt kritisch, wenn man ethische Gesichtspunkte außen vor lässt. Es spielt eher eine wichtige Rolle, wie die Tiere ernährt werden. Sprechen wir über eine Kuh, die irgendwo auf der Weide steht oder über ein Schwein, das im Stall mit Getreide und Soja ernährt wird? Das sind große Unterschiede. Prinzipiell ist es sicher so, dass Weidehaltung und die Verwertung von Pflanzen, die auf der Weide wachsen, wie Gras, sehr positiv ist – auch aus Nachhhaltigkeitsgesichtspunkten.
Gilt noch der Gegensatz: Entweder mein Lebensmodell ist vegan oder karnivor?
Prof. Siebert: Das verschiebt sich etwas. Wir hatten lange in Deutschland den Trend zur Ernährung mit tierischen Produkten. Das ist inzwischen in Deutschland nicht mehr so angesagt. Aber Tiere kann man nicht per se nur negativ sehen. Es gibt auch viele Tierhaltungssysteme, die sich positiv auswirken. Etwa 60% der Proteinversorgung in Deutschland erfolgt über tierische Produkte. Es wird noch eine Weile dauern, bis das deutlich reduziert werden kann.
Das Interview wurde im Rahmen von „Zukunft schmeckt on Tour“ im Live-Talk mit GoodMills geführt. In der Hamburger Fischauktionshalle diskutierte Christoph Minhoff mit neun Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über die Zukunft pflanzenbasierter Ernährung.
>> Das gesamte Video können Sie hier anschauen.