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Lebensmittelverluste: Gründe und Maßnahmen
Vom 29. September bis 6. Oktober 2022 macht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit seiner Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ auf die Problematik der Lebensmittelverschwendung aufmerksam. Akteure aus allen Bereichen der Lebensmittelbranche sowie Verbraucher sollen zeigen, welche Maßnahmen die Menge an weggeworfenen Produkten und Rohstoffen verringern können. Die Ernährungsindustrie arbeitet seit Jahren an Lösungen, um Lebensmittelverlusten entgegen zu wirken. Wir werfen einen Blick auf das Engagement der Branche.
Warum Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelverluste ein Problem sind
Einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes zufolge betrug im Jahr 2020 die Gesamtabfallmenge ca 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle (Frischmasse). Dazu gehören neben übrig gebliebenen Speiseresten und nicht verkauften Lebensmitteln z. B. auch nicht essbare Bestandteile wie Nuss- und Obstschalen, Strünke und Blätter, Kaffeesatz oder Knochen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von technisch bedingten Nachernteverlusten aufgrund mangelhafter Lagerkapazitäten bis hin zum achtlosen Wegwerfen in Privathaushalten. Hierbei unterscheidet die Branche zwischen Lebensmittelverlusten (noch genießbare Lebensmittel und Rohwaren, die am Anfang der Wertschöpfungskette verloren gehen zum Beispiel in der Landwirtschaft oder der Verarbeitung) und Lebensmittelabfällen (Lebensmittel, die am Ende der Versorgungskette, zum Beispiel im Lebensmittelhandel, in der Gastronomie, aber auch in privaten Haushalten im Abfall landen).
Lebensmittel sind viel zu wertvoll, um diese Verluste billigend in Kauf zu nehmen, Für ihre Herstellung werden von der Ernährungsindustrie wertvolle Ressourcen wie Agrargüter, Erde, Luft und Wasser genutzt, die es nicht zu verschwenden gilt. Eine Verschwendung der Ressource Nahrungsmittel hat negative ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen. Vor allem im Hinblick auf die globale Herausforderung einer stark wachsenden Weltbevölkerung ist es wichtig, entlang der gesamten Lebensmittelkette und in den privaten Haushalten genießbare Lebensmittel vor der Entsorgung zu bewahren.
Warum Lebensmittelverluste in der Ernährungsindustrie anfallen
Die Ernährungsindustrie ist allein schon aus Kostengründen bestrebt, Lebensmittelverschwendung auf ein Minimum zu reduzieren. So liegen die im Produktionsprozess anfallenden vermeidbaren Lebensmittelverluste in vielen deutschen Fabriken bereits heute deutlich unter einem Prozent. Nichtsdestoweniger kommt es vor, dass Produkte beispielsweise beim Transport, Verpacken oder Lagern beschädigt werden. Verluste können zudem durch technische Störungen im Produktionsprozess, Sekundärstandards des Handels und regulatorische Vorschriften entstehen, oder es müssen Rückstellmuster zur Qualitätssicherung zurückgehalten werden. Schwierigkeiten in der Kalkulation, die auf eine unregelmäßige Nachfrage zurückzuführen sind, und Retourwaren können zu einer Überproduktion führen und sind ebenfalls Gründe, warum es trotz allem Bestreben zu Verlusten bei der Nahrungsmittelherstellung kommt.
Was die Ernährungsindustrie gegen Lebensmittelverluste unternimmt
Viele Unternehmen haben die Vermeidung von Lebensmittelabfällen bereits in ihre unternehmensspezifische Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen, ihre Prozesse stetig optimiert und ihre Mitarbeiter speziell für den richtigen Umgang zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Produktion geschult.
Systematische Erfassung der tatsächlich vermeidbaren Verluste
Zum Start der Aktionswoche hat das
Deutsche Tiefkühlinstitut (dti) die wissenschaftliche Methodik und die Ergebnisse des Pilotprojekts „
Check Food Waste“ vorgestellt und diese für alle interessierten Unternehmen und Multiplikatoren öffentlich zugänglich gemacht. Projektpartner sind die
fjol GmbH und das
Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke (ZNU). Damit liegt erstmals eine wissenschaftliche Methode und ein praxiserprobtes Tool vor, mit dem Unternehmen Lebensmittelverluste einheitlich und praxisnah nach internationalen Standards erfassen können.
„Mit ‚Check Food Waste‘ leistet die Tiefkühlwirtschaft einen effektiven Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen, für den wir uns weitere Nachahmer und politische Unterstützung wünschen“, sagte dti-Geschäftsführerin Sabine Eichner anlässlich der Veröffentlichung des wissenschaftlichen Reports. „Nur wer Lebensmittelverluste misst, kann sie weiter wirksam reduzieren. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass die meisten Unternehmen der Tiefkühlwirtschaft bereits sehr effizient arbeiten: Pauschale Zielvorgaben seitens der Politik sind nach unserer Erfahrung deshalb nicht das richtige Mittel, um Verluste weiter zu reduzieren. Wichtiger ist es aus unserer Sicht, individuelle Ziele in die Managementprozesse zu integrieren – dafür ist eine solide Datengrundlage notwendig.“
Lebensmittelspenden
Wenn es zu einer Überproduktion von einwandfreien Lebensmitteln kommt, kooperieren zahlreiche Unternehmen bereits mit den Tafeln oder ähnlichen Organisationen.
Marc Albersmann, Key Account Manager bei der Kuchenmeister GmbH, berichtete der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE): „Trotz detaillierter Planung und hoher Prozesskontrolle kommt es leider fortlaufend zu Überhängen, Warenretouren oder Sonderposten. Produkte, welche nicht vermarktet werden können, werden in Absprache an regionale Tafeln oder an Food Sharing Anbieter abgegeben. Diese Zusammenarbeit funktioniert seit vielen Jahren reibungslos und wir sind froh, Lebensmittel vor der Entsorgung zu retten.“
Burkhard Ruhe, Sortimentsmanagement bei der apetito AG, hob ebenfalls die positiven Aspekte dieser Zusammenarbeit hervor. Durch solche Partnerschaften könne dabei geholfen werden, „notleidende Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen und so soziale Not zu lindern. So entsteht eine Situation mit mehreren Gewinnern: Bedürftige erhalten gute Lebensmittel für wenig Geld. Ressourcen- und arbeitsintensiv produzierte Lebensmittel werden sinnvoll verwendet, anstatt vernichtet zu werden. So profitiert auch die Umwelt“, erklärte Ruhe der BVE.
Enge Zusammenarbeit mit Landwirtschaft und Lebensmittelhandel
DANONE hat sich mit seinen
One Planet Global Targets dazu verpflichtet, die Lebensmittelverluste bereits bis 2025 um 50 Prozent gegenüber 2016 zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt DANONE Maßnahmen entlang der gesamten Lebensmittelkette um.
Matthias Dondrup Senior Manager Public Affairs D-A-CH von DANONE erklärte im Interview mit der BVE: „In enger Zusammenarbeit mit unseren Landwirten tragen wir dafür Sorge, dass wir möglichst wenig Milchentsorgung haben – indem wir sicherstellen, dass die Milch frei von Hemmstoffen und erhöhten Keimzahlen ist. Dafür haben wir eigens bei DANONE angestellte Milcherzeugerberater, die diese wichtige Aufgabe übernehmen. In Zusammenarbeit mit dem Handel streben wir beispielsweise eine möglichst exakte Mengenplanung an, um die Abschriften von Lebensmitteln so gering wie möglich zu halten. Außerdem versuchen wir dort, wo es möglich ist, das Mindesthaltbarkeitsdatum zu verlängern, um den Handel eine längere Restfrische bei unseren Produkten zu bieten.“ Zusätzlich werden die ersten Activia Joghurts seit Oktober 2020 mit dem Hinweis „oft länger gut“ versehen, um Konsumenten darauf aufmerksam zu machen, dass die Produkte auch nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums meist noch gut genießbar sind.
Anpassung der Produktion
Bevor die Lebensmittel zu den Verbrauchern gelangen, können Abfälle durch Anpassungen bei den Produktionsmengen und -verfahren vermieden werden. Durch Investitionen in modernste Produktionsanlagen kann f
unny frisch immer mehr Kartoffeln bei der Chipsherstellung verarbeiten – unabhängig von Form und Größe. Darüber hinaus schält das Unternehmen die Kartoffeln so sparsam wie möglich. Dies spiegelt sich auch im „Kartoffeleinsatzfaktor“ wider. Dieser gibt an, wie hoch der durchschnittliche Kartoffelverbrauch pro Kilogramm der Chips ist. In den letzten fünf Jahren ist es funny frisch gelungen, den Verbrauch an Kartoffeln in der Produktion um mehr als 10 Prozent zu reduzieren.
Verbraucheraufklärung
Viele Lebensmittel sind nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch verzehrfähig, werden aber aus Unwissen von Verbrauchern entsorgt. Zusammen mit Too Good To Go kommunizieren mittlerweile über 70 Unternehmen, dass ihre Produkte "oft länger gut" sind. Die
Geschäftsführerin von Too Good To Go, Laure Berment, ging – ebenfalls in einem Interview mit der BVE – auf diese Kampagne näher ein. „Mit der ‚Oft länger gut‘-Kampagne fokussieren wir uns auf die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in Haushalten. Denn rund die Hälfte der Lebensmittelverschwendung in Deutschland findet in Privathaushalten statt“, so Berment. Das Ziel sei es, „wichtige gesellschaftliche Akteure“ zu vereinen und „die entscheidenden Weichen“ zu stellen, um die Wahrnehmung der Verbraucherinnen und Verbraucher „zum Thema Haltbarkeit von Lebensmitteln nachhaltig zu ändern.“
Verkaufen statt entsorgen
Kuchenmeister verkauft im Bereich der zweiten Wahl alles, was nicht der „Norm“ entspricht. Dazu gehören Überproduktionen, Retouren aufgrund zu kurzer Restlaufzeit oder Produkte mit kleinen Schönheitsfehlern.
Unilever unterstützt Kunden aus dem Bereich Gastronomie darin, mit der App Too Good To Go zu kooperieren. „Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem im Foodservice-Bereich. Wir bei Unilever Food Solutions & Langnese wollen Köch*innen dabei unterstützen, ein nachhaltiges Geschäft zu betreiben. Too Good To Go ist ein großartiger Anbieter hierfür und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit“, so Harm van Tongeren, Managing Director Unilever Food Solutions & Langnese DACH.
Ideenaustausch in Multi-Stakeholder Initiativen
Der Austausch von Ideen ist ein wichtiger Faktor bei der Lösung von Herausforderungen. Aus diesem Grund kommen viele Unternehmen in Multi-Stakeholder Initiativen zusammen, um darüber zu beraten, wie Lebensmittelverluste zusätzlich reduziert werden können. Dazu gehören zum Beispiel
United Against Waste oder die europäische Initiative
Champions 12.3, in der sich die Mitglieder verpflichtet haben, ihre Verluste um 50 Prozent bis 2030 zu reduzieren.