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Ernährungsindustrie wächst real moderat
Steigende Kosten treiben Lebensmittelpreise
Export auf Rekordniveau gestiegen
17.01.2012, Berlin
Die Ernährungsindustrie hat 2011 ein moderates, reales Wachstum von 1,3% erreicht. Nach Berechnungen der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) erwirtschaftete die Branche einen Umsatz von 162,2 Mrd. Euro.
Nominal legte der Branchenumsatz um 8,5% gegenüber dem Vorjahr zu. Der Zuwachs ging vor allem auf Preissteigerungen zurück, die durch höhere Rohstoff-, Energie-, Transport-, Verpackungs- und Personalkosten notwendig geworden waren.
Export sorgt für Wachstum
Impulse für das Wachstum kamen auch 2011 wieder aus dem Exportgeschäft. Der Auslandsumsatz der Ernährungsindustrie stieg nominal um 13% an. Hochwertige verarbeitete Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus Deutschland wurden im Rekordwert von 48,5 Mrd. Euro im Ausland verkauft. Das entspricht 30% der Branchenumsätze. Der Export ist eine unverzichtbare Stütze der heimischen Ernährungsindustrie geworden und sichert zahlreiche Arbeitsplätze.
Rund 80% der Branchenexporte gehen in die EU, Drittlandsmärkte werden immer wichtiger. Während die Lebensmittelausfuhren in die EU 2011 um 7% zulegten, wurde außerhalb der EU ein Zuwachs von 19% verzeichnet. Die wichtigsten Absatzmärkte außerhalb der EU sind USA, Russland und die Schweiz. Besonders in Ländern mit hoher Kaufkraft oder ähnlichen Konsumpräferenzen gibt es Chancen für deutsche Exportprodukte, allen voran Milch- und Fleischerzeugnisse sowie Süß- und Backwaren.
In der Euro-Staatsschuldenkrise erwies sich die Ernährungsindustrie 2011 als robuster Industriezweig und stabiler Arbeitgeber. Im vergangenen Jahr wurden 6.900 neue Arbeitsplätze geschaffen. Mit 550.900 Beschäftigten ist die Ernährungsindustrie der viertgrößte Industriezweig in Deutschland.
Ertragssituation bereitet Sorge
Große Sorge bereitet der Ernährungsindustrie die anhaltend schwierige Ertragslage. 2011 verteuerten sich die 13 wichtigsten Agrarrohstoffe um 19%, die Preise von Getreide und Ölsaaten erhöhten sich sogar um 41%. Auch Transport- und Energiekosten stiegen, Energierohstoffe verteuerten sich 2011 laut Hamburger Weltwirtschaftsinstitut um 25%, Rohöl sogar um 26%.
Der Ertragsdruck mindert auch den Spielraum für Lohnanpassungen. In Verhandlungen mit Lebensmittelhandel konnte die Industrie keine ausreichenden Preisanpassungen erreichen, die Entwicklung der Verbraucherpreise hat dies verdeutlicht. 2011 verteuerten sich Lebensmittel für die Konsumenten moderat um 2,8%. In der Langzeitbetrachtung liegt die Teuerungsrate bei Lebensmitteln allerdings deutlich unter dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten.´
Harte Verhandlungen mit dem Einzelhandel
Der harte Preiswettbewerb im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sorgt dafür, dass die Hersteller Preiserhöhungen nicht in notwendigem Umfang durchsetzen können. Das hat negative Folgen für die Investitions- und Innovationstätigkeit der Unternehmen. Bei aller Härte des Wettbewerbs, so muss dieser doch mit fairen Mitteln geführt werden.
Im Rahmen der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen spricht sich die BVE daher für die Beibehaltung des geltenden kartellrechtlichen „Anzapfverbotes“ und des seit 2008 verschärften Verbotes des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis aus.
Zuversicht prägt Prognose 2012
Die Konsumstimmung im Inland wird durch die stabile Arbeitsmarktlage wesentlich gestützt. Aber die konjunkturelle Abkühlung und die Unsicherheiten über die Lage an den europäischen Finanzmärkten dämpfen die Perspektiven der Ernährungsindustrie für 2012. Die BVE rechnet für 2012 mit einem moderaten Umsatzplus von nominal bis zu 4%. Die Preise für Lebensmittel müssten um 3 bis 4% steigen, um den angestauten Ertragsdruck in der Industrie zu mindern. Wie die Lebensmittelpreise sich 2012 wirklich entwickeln werden, hängt jedoch von vielen Faktoren ab.
Wichtige Impulse erwartet die Ernährungsindustrie 2012 vom Exportgeschäft; dazu muss die Erschließung von Wachstumsmärkten außerhalb der EU weiter vorangetrieben werden. Der Abbau von bestehenden tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen ist notwendig.
Risiken auf der Rohstoffseite
Risiken gehen für die Ernährungsindustrie von der Rohstoffseite und der erwarteten Euro-Aufwertung aus. Laut einer BVE-Branchenumfrage erwarten 88% der Unternehmen 2012 höhere Rohstoffpreise. Aufgrund der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende gehen drei Viertel der Befragten auch von steigenden Energiepreisen aus.
Die Preise für Agrarrohstoffe erreichten 2011 historische Höchststände und werden auch mittel- bis langfristig hoch bleiben, wie jüngste Prognosen der EU-Kommission zeigen. Der HWWI-Rohstoffpreisindex für Nahrungs- und Genussmittel lag 2011 um 23% über dem Wert von 2010. Ursache für die weltweit gestiegenen Preise sind die langfristig zunehmende Nachfrage nach Agrarprodukten durch eine wachsende Weltbevölkerung, neue Konsumgewohnheiten in Schwellenländern sowie Ernteschwankungen und die Verwendung von Agrarrohstoffen zur Energieerzeugung.
Rohstoffspekulation
Rohstoffpreisvolatilität ist zunehmend zu einem Problem für die Ernährungsindustrie geworden. Warentermingeschäfte sind daher ein wichtiges Absicherungsinstrument, das im Zuge der Überarbeitung der EU-Finanzmarktrichtlinie nicht beschnitten werden darf. Regulierungen der Börsen müssen einerseits Marktmissbrauch an den Derivatemärkten verhindern und andererseits Termingeschäfte als Absicherungsinstrument stärken. Das ist eine wichtige Voraussetzung für stabile Endverbraucherpreise.
Reform der Agrarpolitik
Die Vorschläge der EU-Kommission bewertet die BVE grundsätzlich positiv, weil sie das Leitbild einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft zugrunde legen und den eingeschlagenen Weg der Marktorientierung fortsetzen. Die Notwendigkeit der Sicherung der Rohstoffversorgung wird hingegen zu wenig beachtet; deshalb sieht die BVE den Vorschlag der ökologischen Flächenstilllegung von 7% als kontraproduktiv an, weil er die Versorgungs- und Preissituation in der Ernährungsindustrie verschlechtern kann.
Qualitätseinkauf weiter im Aufwind
Chancen sieht die Ernährungsindustrie 2012 im Trend zu einem stärker qualitätsorientierten Einkauf. Fast die Hälfte der Deutschen gibt diesem Einkaufskriterium die wichtigste Priorität. 54% der Verbraucher schätzen die Qualität der Lebensmittel in Deutschland höher ein als im Ausland und 41% sind der Meinung, die Qualität habe sich in den letzten Jahren verbessert, wie eine GfK-BVE-Untersuchung zeigt.
Nein zu einem verpflichtenden Regionalsiegel
Die Bedürfnisse der Konsumenten sind komplex und vielfältig. Aus zahlreichen großen und kleinen Trends ergeben sich Chancen für die Unternehmen. Diese aufzuspüren und umzusetzen ist Aufgabe der Unternehmer, dafür sind Freiräume notwendig. Ein immer mehr an Regulierung und gesetzlichen Vorgaben macht diese Chancen zunichte, sorgt für Gleichmacherei. Dies gilt es auch in der Diskussion um zusätzliche Siegel wie dem von Bundesministerin Aigner verfolgten Regionalsiegel zu beachten. Regionalität ist für viele Konsumenten ein wichtiger Qualitätsaspekt, ein Siegel muss aber immer freiwillig bleiben.
Gemeinsame Branchenkommunikation
Die positive Grundeinstellung der Verbraucher zu Lebensmitteln in Deutschland muss die Ernährungsindustrie gemeinsam mit ihren Partnern in der Wertschöpfungskette Lebensmittel nutzen, um die Kommunikation gegenüber Politik, Medien und Verbrauchern zu intensivieren. Ziel muss es sein, stärker über den Nutzen und die Leistung der modernen Lebensmittelwirtschaft aufzuklären, um dem Verlust des Verbrauchervertrauens in die Branche entgegenzuwirken. Dies ist eine wichtige gemeinsame Herausforderung 2012!
Verbraucheraufklärung statt Panikmache
Von der Politik erwartet die Ernährungsindustrie Sachlichkeit und angemessenes politisches Handeln im Verbraucherschutz. Ideologen und Angstmacher dürfen keine Chance haben, vielmehr müssen Fakten und Dialog in den Mittelpunkt gerückt werden. Auch die Medien müssen ihrer journalistischen Verantwortung gerecht werden. Die Lebensmittelwirtschaft ist sich ihrer gemeinsamen, stufenübergreifenden Verantwortung für sichere Qualitätslebensmittel bewusst. Sie arbeitet ständig an weiteren Verbesserungen für die Verbraucher, für den Tier- und Naturschutz.
Die Konjunkturdaten 2011 stehen
hier zum Download bereit:
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Dr. Sabine Eichner
Geschäftsführerin
Tel. +49 30 200 786-150, -151
seichner@bve-online.de